Die Wohngebäude Holbeinstraße Nr. 3/5, 6 und 8 in Bogenhausen
Eindrucksvolle Jugendstil-Ensembles der Architekten Max Kirschner und Sigmund Weidenschlager
„Ebenso phantasievoll wie Popps Bauten wirken die des Architektenteams Sigmund Weidenschlager & Max Kirschner, die vermutlich nur in Bogenhausen tätig gewesen sind. Sie verwendeten für ihre Fassaden Mosaikdekor – bei Münchener Bauten eine Seltenheit.“ [zit. nach Karl 1992, S. 117–118].
Die prächtigen Villen, die einem beim Spazieren in Bogenhausen begegnen, zeugen eindrucksvoll von der Bedeutung des Viertels für die Stadt. Die intensive Bebauung Bogenhausens begann nach der Eingemeindung 1892. Innerhalb der darauffolgenden 20 Jahre entstanden in dem Quartier circa 120 Stadtvillen. Nach 1933 wurden im Zuge der nationalsozialistischen „Arisierung“ zahlreiche Villen, die sich in jüdischem Besitz befanden, enteignet und beschlagnahmt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden viele dieser Häuser von der amerikanischen Militärregierung an Hilfsorganisationen für die Unterbringung Überlebender aus Konzentrationslagern und andere sogenannte Displaced Persons übergeben.
Die Architekten Max Kirschner und Sigmund Weidenschlager erbauten zwischen 1907 und 1910 in der Holbeinstraße sechs große Mietshäuser im Jugendstil. Dazu gehört das Doppelhaus mit den Nummern 3 und 5 sowie das Wohnhaus-Ensemble mit den Nummern 4, 6 und 8, deren Hauseigentümer zugleich die Architekten waren.
Das Jugendstil-Doppelhaus mit den Hausnummern 3 und 5 wurde 1909/1910 errichtet. Das dreigeschossige Mietshaus zeichnet sich insbesondere durch die eindrucksvolle, mittige Loggien-Balkon-Gruppe aus. Das in die Wand eingelassene Mosaikdekor flankiert die halbrunden Balkone des Mittelrisaliten und zeigt ländliche Szenen. Rund 16 Jahre lebte der Schriftsteller und Dichter Georg Britting (1891–1964) in der Holbeinstraße 5 und verfasste in diesem Zeitraum einen erheblichen Teil seiner Werke.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite beginnt das Ensemble mit dem viergeschossigen Wohnhaus Nummer 4, das 1907/1908 errichtet wurde und dessen Fassade eine ausgeprägte Asymmetrie aufweist.
Das mittlere Wohnhaus des imposanten Ensembles, Hausnummer 6, wurde im Jahr 1907 ebenfalls von den Architekten Kirschner und Weidenschlager entworfen. Im Gegensatz zur Nummer 4 liegt bei dieser Fassade das Hauptaugenmerk auf der symmetrischen Gliederung sowie dem zentral platzierten plastischen Mosaikornamentik des Mittelrisalits. Die oberen drei Fenster der Mittelachse der vier Geschosse sind durch vertikale Pfeiler verbunden, die in einem barockisierenden Balkon enden. Das Mosaikdekor findet sich zudem auf den Säulen des Pfeilerzauns der Einfriedung wieder. Eine Besonderheit stellt das Fenster im Erdgeschoss dar: Duch ein Fenster im Fenster entsteht ein Mini-Wintergarten, eine architektonische Besonderheit, die in ähnlicher Ausführung nahe der tschechisch-polnischen Grenze zu finden ist.
Das dritte Haus der Jugendstilkomposition, die Hausnummer 8, wurde von 1907 bis 1908 errichtet und sticht mit seinen zwei Quergiebeln in Fachwerkoptik aus der Häuserreihe hervor. Das Haus ist in eine linke und eine rechte Seite unterteilt, wie sich sowohl im Innenraum als auch an der Fassade ablesen lässt. Der Eingangsbereich mit dem Treppenhaus trennt die linken Stockwerke, die den Wirtschaftsräumen vorbehalten waren, von der rechten repräsentativen Wohnseite. Diese Trennung spiegelt sich auch in der Architektur außen wider: Der rechte Teil mit mittlerem Erker, Balkonen sowie aufwändigem goldenem und floralem Mosaikdekor besitzt eine durchaus prunkvoller gestaltete Fassade als der linke, den schlichteres Stuckdekor schmückt. Insgesamt ist die Fassade des viergeschossigen Wohnhauses mit verschiedenen Putz- und Stuckelementen sowie Mosaikdekor versehen und wird durch Balkone, Fensterdekor und Loggien gegliedert. Frühere Jugendstilbauten in München unterschieden sich abgesehen von der neuartigen Fassadengestaltung kaum von den historischen und konventionellen Baukörpern. „Weidenschläger [sic] und Kirschner dagegen, gelangen zu neuen Lösungen bei der Bebauung der Holbeinstraße […]“ [zit. nach Habel et al. 1974, S. 38].