
Der Schlösselgarten ist ein Überbleibsel des im Zuge der Säkularisation 1803 versteigerten und dann komplett abgeholzten Prielwaldes zwischen Bogenhausen im Süden und Oberföhring im Norden. In diesem Wäldchen steht, etwas versteckt, auf einem Podest der Göttervater Wotan, auch Odin genannt, ein allen germanischen Völkern gemeinsamer Gott.
Nach der nordischen Mythologie ist er der Herrscher über Himmel und Erde, der Gott des Krieges, insbesondere des Sieges, der Erfinder der Runen und damit jeglicher Wissenschaft sowie der Weissagung und der Dichtkunst. Überhaupt ist er der Weiseste unter den Asen, den germanischen Gottheiten.
1871 gab Anton Höchl (1818–1897) dem Bildhauer Heinrich Natter den Auftrag, die Statue in Kelheimer Marmor in der Größe von circa 2,70 Meter für seinen Park zu schaffen. Anton Höchl, Sohn des Stadtbaumeisters und Ziegeleibesitzers Joseph Höchl, hatte sich 1852 eine Villa, das sogenannte Höchlschlößl, im Priel erbauen lassen. Im Januar 1873 wurde die fertige Figur im Atelier des Tiroler Künstlers Natter öffentlich ausgestellt. Natter ließ sich durch die Dichtung Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ zu dem Entwurf des Wotan inspirieren:
„Den Flügelhelm auf dem gesenkten Haupte blickt er finsteren Auges aus dem bartumhüllten Antlitz. Mit hocherhobenem Speer, auf seinem Schild kräftig gestützt, lauscht er der Kunde seiner beiden weisen Raben Hugion und Munion.“ [Natter 1914, S. 26].
Das Werk war so gut gelungen, dass es im April 1873 zur Weltausstellung nach Wien geschickt und bis 1874 ausgestellt wurde. Seit 1874 steht der inzwischen ziemlich beschädigte Wotan nun an seinem jetzigen Platz.
Heinrich Natter wurde 1844 in Graun/Südtirol geboren. Er war Schüler von Johann Geyer (Genre- und Historienmaler) in Augsburg und von 1864 bis 1867 bei Maximilian von Widnmann an der Akademie der Bildenden Künste in München. Heinrich Natter war mit Anton Höchl befreundet und wohnte einige Zeit in Bogenhausen, danach in München. In den Jahren 1871 bis 1872 entstanden von ihm zwölf Porträtbüsten, einige davon vermittelt durch Professor Caspar von Zumbusch für die Universität Straßburg. Bei den Münchnern wurde Natter als „Faunmacher“ charakterisiert. 1876 übersiedelte Heinrich Natter nach Wien, wo er 1892 starb.
Bilder



