Eingeordnet unter Veranstaltungsort

Das Odeon

Ein Haus für Musik, Gesang und Tanz

Das für den Odeonsplatz namensgebende Bauwerk von Leo von Klenze gehörte zu den frühen öffentlichen Konzerthäusern Europas und machte sich insbesondere durch die akustische Qualität seines Saales einen Namen. Seit seiner Eröffnung 1828 bis zu seiner Zerstörung durch Luftangriffe 1943/44 war das Odeon ein zentraler Veranstaltungsort des Münchner Konzertlebens.

Nachdem 1818 der zuvor genutzte Redoutensaal in der Prannerstraße in ein Ständehaus umfunktioniert worden war, wurde in München ein neuer Ort für Feste, Musik- und Tanzveranstaltungen gesucht. Auf dem repräsentativen Platz an der Ludwigstraße wurde schließlich von 1826 bis 1828 im Auftrag König Ludwigs I. nach einem Entwurf von Hofarchitekt Leo von Klenze (1784–1864) das zu diesem Zweck bestimmte Odeon errichtet.

In der Antike bezeichnete „Odeon“ (griech. ᾨδεῖον, lat. Odeum) ein Gebäude für musikalische und rhetorische Aufführungen und Wettkämpfe. Bereits im Namen klang der Anspruch Ludwigs I. an, ein „neues Athen“ wiederaufleben zu lassen und entsprechende für die Öffentlichkeit bestimmte Stätten zur ästhetischen Bildung zu schaffen.

Zu dem Zeitpunkt hatte sich noch kein Typus für die neue Bauaufgabe des selbstständigen, öffentlichen Konzerthauses, dessen Funktion schon an seinem Äußeren erkennbar war, ausdifferenziert. Für das Odeon war die Außengestalt bereits vorgegeben: Es sollte sich harmonisch in die Platzkomposition einfügen und als Pendant zum Leuchtenberg-Palais angelegt werden. Die Herausforderung des Entwurfes war, dass das Konzerthaus – trotz der anderen Nutzung – Größe, Form und Fassadengestaltung des adeligen Wohnpalastes übernehmen musste.

Herzstück war der festliche, von Säulen umgebene Saal, der rund 1400 Besuchern Platz bot. Büsten berühmter Komponisten von Johann Leeb in eichenlaub-umkränzten Nischen rahmten das Halbrund der Bühne. Mythologische Szenen mit Apoll, dem Gott der Künste, zierten die Deckenfresken von Akademieleiter Peter von Cornelius und seinen Schülern Wilhelm Kaulbach, Adam Eberle und Hermann Anschütz. Große Lüster und lyraförmige Wandleuchter mit Öllampen erhellten den Raum, 1854/56 folgte Gasbeleuchtung, 1888 elektrisches Licht. 

Zeitgenössische Kulturzeitschriften lobten das Odeon als „Kunsttempel“, „Euterpens [Muse der Musik] glänzende[n] Tempel“ und „Versammlungsort des gebildeten und eleganten Publikums“ (Münchener allgemeine Musik-Zeitung, 19.04.1828, Sp. 459; Flora, 08.04.1828, S. 285; 08.01.1828, S. 27).

Da das Odeon als Konzert- und Ballsaal sowie als Begegnungsort (auch für König und Volk) geplant war, gab es – anders als im Logentheater – bis 1905/06 keine feste Bestuhlung. Stattdessen wurden Hocker, Sessel und teils Spieltische frei aufgestellt, was eine variable Sitzordnung, Raum zum Umhergehen und Möglichkeit zur Konversation bot. Für Konzerte wurde anfangs stets ein Orchesterpodium aufgebaut, bei Tanzabenden spielten die Musiker auf der Galerie.

Weithin gelobt wurde die ausgezeichnete Akustik (vermutlich dank Schallstreuung an den Säulen): „gerundet und voll, deutlich in allen ihren Nuancen berührten die Harmonien das Ohr des Zuhörers, und noch günstiger als in den Instrumenten, lautete der Gesang in der […] Arie“ schrieb die Musikzeitschrift Allgemeine musikalische Zeitung (28.05.1828, S. 359).

Das Odeon gehörte bis 1878 zur Kgl. Hoftheater-Intendanz. 1846–1944 war es Heimstätte des Kgl. Konservatoriums für Musik (seit 1874 Akademie für Tonkunst) und nachfolgend der Kgl. Musikschule (heutige Musikhochschule).

Neben klassischer Musik wurde hier auch heitere Unterhaltungsmusik gespielt. Im bunt gemischten Programm fanden u. a. repräsentative Festlichkeiten, (Masken-)Bälle, Künstlerfeste, Versammlungen und zunehmend Konzerte statt. Zahlreiche namhafte Komponisten und Musiker traten auf der Bühne des Odeons auf, wie Clara Schumann, Johannes Brahms, Camille Saint-Saëns, Richard Strauss, Max Reger, Carl Orff und die Comedian Harmonists.

Im Zweiten Weltkrieg durch Luftangriffe 1943/44 schwer beschädigt, wurde die Ruine 1951/52 durch den Münchner Architekten Josef Wiedemann als Sitz des Bayerischen Innenministeriums mit Fragmenten der historischen Bausubstanz wiederaufgebaut. Klenzes teils noch vorhandene Fassaden wurden originalgetreu rekonstruiert. Der ehemalige Saal wurde zu einem ebenerdigen, offenen Innenhof, der seit 2007 von einer filigranen Glas-Stahl-Konstruktion überdacht wird.

Bilder

Das Odeon auf dem Münchner Odeonsplatz, 1880/1900
Das Odeon auf dem Münchner Odeonsplatz, 1880/1900 Am 17. Januar 1827 wurde der bisherige Fürstenplatz nach dem neuen, gerade noch im Bau befindlichen Odeon umbenannt. Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Photothek, ZI-0955-01-01-217417
Das Odeon und seine Umgebung, Stadtplan, in „Die Distrikte der königlichen Haupt- und Residenzstadt München mit den Haus-Nummern“ (1855)
Das Odeon und seine Umgebung, Stadtplan, in „Die Distrikte der königlichen Haupt- und Residenzstadt München mit den Haus-Nummern“ (1855) Der von Klenze entworfene Odeonsplatz lag am Auftakt der neuen Prachtstraße (Ludwigstraße). Gegenüber befand sich das ebenfalls von Klenze errichtete Bazargebäude mit zahlreichen Läden und ab 1836 den Räumen des Kunstvereins, zur Westseite grenzte das Odeon an den Wittelsbacher Platz. Im Obergeschoss der damaligen Fürstenstraße 1 (Ludwig-Ferdinand-Palais) wohnte Klenze 1826–1859 in seiner Privatwohnung. Quelle: Die Distrikte der königlichen Haupt- und Residenzstadt München mit den Haus-Nummern [...], München 1855, o. S. (Exemplar Bayerische Staatsbibliothek München, Hbks/X 6 za).
Denkmal für den Komponisten Christoph Willibald Gluck (1714–1787) auf dem Odeonsplatz, Stich von Alexander Marx, ca. 1848
Denkmal für den Komponisten Christoph Willibald Gluck (1714–1787) auf dem Odeonsplatz, Stich von Alexander Marx, ca. 1848 In Bezug auf das Odeon (links) standen auf dem Platz seit 1848/49 Denkmäler für die zwei „Tondichter“ Christoph Willibald Gluck (von Bildhauer Friedrich Brugger) und Orlando di Lasso (von Max von Widnmann). Im Zuge der Errichtung des Denkmals König Ludwigs I. 1862 auf dem Odeonsplatz erhielten sie einen neuen Standort auf dem Promenadeplatz. Quelle: Stadtarchiv München, GS-A-0959
Königl. Odeon und Monument König Ludwig I., kolorierte Lithografie in „Illustrierter Spaziergang durch München, ein Panorama der bedeutendsten Strassen, Plätze und Gebäude“ (1864)
Königl. Odeon und Monument König Ludwig I., kolorierte Lithografie in „Illustrierter Spaziergang durch München, ein Panorama der bedeutendsten Strassen, Plätze und Gebäude“ (1864) Die Ansicht gibt einen Eindruck vom gelben Fassadenanstrich des Odeons. Das Reiterstandbild König Ludwigs I. von Max von Widnmann wurde am 19. Februar 1862 nach einer feierlichen Prozession auf dem Odeonsplatz aufgestellt. Quelle: Bayerische Staatsbibliothek München, Bildarchiv, port-025396
Odeon und Leuchtenberg-Palais, Holzstich von 1834, im Stadtführer „Acht Tage in München“ (1841)
Odeon und Leuchtenberg-Palais, Holzstich von 1834, im Stadtführer „Acht Tage in München“ (1841) Das Leuchtenberg-Palais orientierte sich stilistisch an der Architektur italienischer Renaissancepaläste. Aufgrund des spiegelbildlichen Entwurfs musste Klenze das Konzerthaus in ein palastartiges Gebäude setzen, was zu funktionalen Problemen (wie die Konzeption der Eingänge) und Unstimmigkeiten in der Fassadenverzierung führte (wie eine, für ein Konzerthaus eher unpassende, römische Rüstungstrophäe über dem Eingang). Quelle: Georg Kaspar Nagler: Acht Tage in München. Eine kurzgefaßte Beschreibung der in dieser Hauptstadt befindlichen Sehenswürdigkeiten, München 1841 [Erstausgabe 1834], S. 28 [Ausschnitt] (Exemplar Bayerische Staatsbibliothek München, Bavar. 2582 b).
„Das Münchner Odeon. Eingang für Fußgänger“, Karikatur aus der Serie „Des Herrn Barons Beisele und seines Hofmeisters Dr. Eisele Kreuz- und Querzüge durch Deutschland“ in der Zeitschrift „Fliegende Blätter“ (1846)
„Das Münchner Odeon. Eingang für Fußgänger“, Karikatur aus der Serie „Des Herrn Barons Beisele und seines Hofmeisters Dr. Eisele Kreuz- und Querzüge durch Deutschland“ in der Zeitschrift „Fliegende Blätter“ (1846) Die durch das Palais vorgegebene Struktur führte u. a. zum Planungsfehler eines fehlenden Eingangs für Fußgänger, wodurch sich Gäste, Kutschen und Pferde gemeinsam durch die engen Portale zwängen mussten. Klenze reagierte auf die darauffolgende Kritik und löste dieses Problem schließlich, indem zwei angrenzende Fenster vergrößert und zu eigenständigen Fußgängereingängen umgebaut wurden. Quelle: Fliegende Blätter 2 (1846), Heft 41, S. 133.
Aufriss, Grundrisse, Längs- und Querschnitt des Odeons, Lithografie von Philipp Burg, 1828
Aufriss, Grundrisse, Längs- und Querschnitt des Odeons, Lithografie von Philipp Burg, 1828 Im Erdgeschoss befand sich die überdachte Kutschendurchfahrt, von der aus man ins Haupttreppenhaus gelangte, im ersten Geschoss lag der doppelgeschossige „Musik- und Tanz-Saal“, mit Galerie und Säulenumgängen. Die zahlreichen Nebenräume wurden u. a. als Aufenthalts- und Empfangszimmer und für den Restaurationsbetrieb genutzt, und auch vermietet. Als Vorbild für den Saal diente Klenze ein Entwurf für einen Säulensaal aus dem Lehrbuch Précis des leçons d’architecture: données à l’Ecole Polytechnique (1. Bd., Paris, 1802/05) von Jean-Nicolas-Louis Durand. Quelle: Philipp Burg: Risse von dem Odeon zu München, in: Monatsblatt für Bauwesen und Landesverschönerung 8 (1828), Heft 8, o. S. / Stadtarchiv München, HV-BS-A-03-59
Innenansicht des Konzertsaals im Odeon, nach dem Umbau 1905/06
Innenansicht des Konzertsaals im Odeon, nach dem Umbau 1905/06 Die an antike Tempel erinnernde Raumform und das Dekor verliehen dem Saal einen festlichen Glanz: Säulen und Halbrund mit goldgelbem und hellgrauem Stuckmarmor, teilvergoldete Säulenkapitelle und Stuckverzierungen, Flächen in intensiven Farbtönen (wie die in pompejanischem Rot ausgemalten Nischen) sowie die prächtige Kassettendecke mit bunten Ornamenten und Fresken zierten den Raum. Nachträglich eingebaut wurden die feste Bühne, Messingleuchter, Bestuhlung und Orgel (erstmals 1864 zentral auf dem Podium, 1905 ersetzt durch die Orgel auf der Galerie). Quelle: Stadtarchiv München, FS-PK-STB-09770 Erstellt von: Rehse & Co, Photographische Kunstanstalt
Programme für eine Maskierte Akademie (1832) und ein Abonnement-Konzert der Musikalischen Akademie (1870)
Programme für eine Maskierte Akademie (1832) und ein Abonnement-Konzert der Musikalischen Akademie (1870) Sowohl klassische als auch heitere Musik waren in regelmäßig stattfindenden Konzert- und Tanzabenden im Odeon vertreten. Neben Maskenbällen zu Karneval, bestimmten zunehmend mehrstündige Konzerte mit Instrumental-, Chormusik und Sologesang das Programm. Quelle: links: Königliches Hof- und National-Theater (München): Königliches Hof- und Nationaltheater, München 1832, S. [40]  (Exemplar Bayerische Staatsbibliothek München, 2 Bavar. 827-1832), rechts: Konzert-Programme des Königlichen Odeon in München und ähnlicher Münchener Veranstaltungen 11 (1870), o. S. (Exemplar Bayerische Staatsbibliothek München, 2 Bavar. 1619 c-8/17).
„Die Schillerfeier im Odeonssaale zu München“ am 10. November 1859, Xylografie nach einer Zeichnung von Max Adamo, 1859
„Die Schillerfeier im Odeonssaale zu München“ am 10. November 1859, Xylografie nach einer Zeichnung von Max Adamo, 1859 Zu dem Fest wurden das Podium und der Saal reich ausgeschmückt und mit Stühlen und Hockern für das Publikum ausgestattet. Quelle: Illustrirte Zeitung, Leipzig (1859), Nr. 52, o. S. / Stadtarchiv München, GS-A-1061
Ein Odeonskonzert in München, Xylografie nach einer Zeichnung von René Reinicke, 1890
Ein Odeonskonzert in München, Xylografie nach einer Zeichnung von René Reinicke, 1890 Das Publikum nahm mittlerweile auf Stühlen Platz, die in Reihen angeordnet waren. Auf der Bühne sind Dirigent, Sängerinnen und Sänger sowie das Orchester hinter ihnen zu sehen. Im Hintergrund erkennt man die erste Orgel, die von 1864 bis 1905 mittig auf der Bühne stand und dadurch das Portal und zwei Komponistenbüsten verdeckte. Quelle: Stadtarchiv München, C1890141
Der Große Chor des Akademischen Gesangsvereins vor den Komponistenbüsten, 1932
Der Große Chor des Akademischen Gesangsvereins vor den Komponistenbüsten, 1932 Die großen Komponistenbüsten im Bühnenhalbrund erfuhren im Laufe der Zeit einige Auswechslungen und Neuanordnungen. Die ursprüngliche Aufstellung von 1828 versammelte v.l.n.r.: Cimarosa, Haydn, Weber, Méhul, Mozart, Händel, Vogler, Winter, Gluck, Rossini. Diese erste Zusammenstellung stieß auf Widerspruch bei den Zeitgenossen. Statt des Italieners Rossini, der zu dem Zeitpunkt als einziger noch lebte und den man als unpassend empfand, wünschte man sich den Deutschen Beethoven. Ab 1905 zierten die Nischen in ihrer letzten Aufstellung v.l.n.r.: Bach, Gluck, Mozart, Weber, Wagner, Liszt (links), Schubert (verdeckt), Beethoven (Mitte), Haydn (rechts), Händel. Quelle: Bayerische Staatsbibliothek München, Bildarchiv, port-002885
Überreste des Odeon-Gebäudes, 1946
Überreste des Odeon-Gebäudes, 1946 Luftangriffe 1943 und 1944 hatten das Odeon schwer beschädigt. Es war bis auf die Ziegelmauern ausgebrannt und teils eingestürzt. Teile der baufälligen Nordfassade mussten aus Sicherheitsgründen abgetragen werden. 1951 wurde Josef Wiedemann mit dem Wiederaufbau des ehemaligen Konzerthauses beauftragt, das fortan als Sitz des Bayerischen Innenministeriums dienen sollte. Einige historische Bauelemente, wie die dorischen Säulen im ursprünglichen Saal, konnten in den Neubau integriert oder rekonstruiert werden. Andere, wie die heruntergestürzte ionische Säulenreihe der Galerie, entschied man wegzulassen. Die Außengestalt wurde (größtenteils) originalgetreu wiederhergestellt und somit die städtebauliche Erscheinung des Odeons- und Wittelsbacherplatzes bewahrt. Quelle: © Bildarchiv Foto Marburg, Aufnahme-Nr. LA 958/4
Zustand des Innenhofes nach dem Wiederaufbau als funktionales Dienstgebäude, 1971
Zustand des Innenhofes nach dem Wiederaufbau als funktionales Dienstgebäude, 1971 Der ehemalige Konzertsaal wurde mit dem Erdgeschoss zusammengelegt und ist heute noch an seiner Form, einer Säulenreihe sowie den nunmehr leeren Rundnischen erkennbar. Das eingebaute Podium am Ort der Bühne und der 1952 von Emil Krieger gefertigte Brunnen, in Form einer Glocke und mit Masken-Verzierung, erinnern an die Musik, die hier früher erklang. Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Photothek, ZI-0934-02-00-Th220171 (links) bzw. ZI-0934-02-00-Th219672 (rechts) Erstellt von: Margrit Behrens
Zustand des Innenhofes heute
Zustand des Innenhofes heute Das von Ackermann Architekten entworfene Glasdach überspannt seit 2007 den Innenhof, wodurch hier wieder Veranstaltungen stattfinden können. Erstellt von: Dominik Lindner, 2016

Ort

Odeonsplatz 3, 80539 München | Nicht zugänglich, außer bei öffentlichen Veranstaltungen

Metadaten

Maya-Sophie Lutz, “Das Odeon,” MunichArtToGo, zuletzt zugegriffen am 2. Dezember 2024, https://municharttogo.zikg.eu/items/show/34.