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Die Lauervilla in Bogenhausen

Die erste Synagoge Münchens nach dem Zweiten Weltkrieg

Der Kunstmaler, Unternehmersohn und spätere Farbenfabrikant Friedrich Lauer (1874–1935) kaufte 1911 für 200.000 Mark die Gastwirtschaft Neuberghausen, die östlich der Bogenhausener Kirche St. Georg lag. Seit 1913 steht hier die „Lauervilla“, entworfen vom Architekten Wilhelm Scherer und in Anlehnung an den deutschen Renaissancestil erbaut. Lauer war 1895 als Student der Philosophie und Kunstgeschichte an der Münchner Universität eingeschrieben. Im Jahr 1922 zog er nach Urfahrn am Chiemsee, wo er sich eine weitere Villa errichten ließ.

Im Gebäude in Bogenhausen fanden ab Januar 1923 dann die Musterschauen der „Münchner Edel-Messe GmbH“ statt. Gezeigt wurde eine ständig wechselnde Kunstschau sowie hochwertige deutsche Waren aus dem Bereich Haus, Küche, Auto, Bekleidung und Kunsthandwerk. Um die Besucher bewirten zu können, richtete man im Kellergeschoss einen Erfrischungsraum ein. Die Bewirtungsräumlichkeiten baute man mit den Jahren weiter aus, so gab es später auch eine Kegelbahn. Die Erlaubnis zum Vollbetrieb einer Schankwirtschaft wurde schließlich erteilt. Musik- und Tanzveranstaltungen erhielten, wegen der Nähe zur Kirche, nur in Ausnahmefällen eine Genehmigung. 1925 ging die von Friedrich Lauer gegründete Edel-Messe bankrott.

Noch im selben Jahr wurde die Villa von der Studentenverbindung Corps Suevia (1803 gegründet, eine der ältesten Münchner Studentenverbindungen) gekauft. 1939 löste sich, mit der „Gleichschaltung“ der Studentenverbindungen, das Corps Suevia auf. Die Stadt München erwarb die Lauervilla für 330.000 Reichsmark zur Unterbringung der „Meisterschule für Mode“. Während des Zweiten Weltkriegs war hier eine Luftschutzschule untergebracht.

1946 überließ man das Anwesen dem Zentralkomitee der befreiten Juden. Hier entstand die erste Synagoge Münchens nach dem Zweiten Weltkrieg. Der zwanzig Meter lange, acht Meter breite und nach Osten ausgerichtete Festsaal wurde zum Betsaal umfunktioniert. Im Keller baute das Zentralkomitee ein rituelles Bad und einen Raum für rituelle Schlachtungen ein. Außerdem konnten bis zu 170 Personen – „displaced persons“ – in der weitläufigen Villa wohnen. Im östlichen Trakt befand sich zudem ein hebräisches Gymnasium und eine jüdische Volksschule und ein Kindergarten. Der Umzug der Synagoge erfolgte um 1975 in die Possartstraße 15.

In die leer stehende die Villa zog dann die Städtische Fachschule für Sozialberufe und später die Fachhochschule für Sozialpädagogik ein. Im Gebäude verblieb bis heute im Erdgeschoss eine Städtische Kindertagesstätte. Die übrigen Räume nutzt seit 1993 die Städtische Sing- und Musikschule. Mit Hilfe eines Förderkreises konnte das gesamte Gebäude renoviert und am 27. Februar 2003 der große Konzertsaal feierlich eröffnet werden.

Bilder

Die Lauervilla, 2005
Die Lauervilla, 2005 Im Jahr 1912 ließ der Maler Friedrich Lauer von Wilhelm Scherer eine eindrucksvolle Villa in Bogenhausen errichten – sie markiert heute den prägnanten östlichen Abschluss des Bogenhauser Kirchplatzes. Erstellt von: Karin Bernst
Die Gastwirtschaft Neuberghausen, 1904
Die Gastwirtschaft Neuberghausen, 1904 Ursprünglich stand auf dem Grundstück Neuberghauser Straße 11 / Ecke Möhlstraße (früher Lortzingstraße) die Gastwirtschaft Neuberghausen. Quelle: Stadtarchiv München, FS-NL-PETT1-2511
Die Gastwirtschaft Neuberghausen, 1910
Die Gastwirtschaft Neuberghausen, 1910 Die Lage der Wirtschaft in unmittelbarer Nachbarschaft zur Kirche St. Georg und ihrem Friedhof war nicht günstig – der Lärm der Tanz- und Musikveranstaltungen und der Biergartenbetrieb sorgten immer wieder für Ärger wegen Störung der Totenruhe. So verkaufte die Brauerei das Anwesen 1911 schließlich an den Maler Friedrich Lauer. Quelle: Stadtarchiv München, FS-PK-STB-03757
Der Speisesaal im Erdgeschoss, um 1930
Der Speisesaal im Erdgeschoss, um 1930 Ab dem Jahr 1927 wurde aus der Lauervilla das großzügigste und exklusivste Verbindungshaus in München und Umgebung, denn die pflichtschlagende und farbentragende Studentenvereinigung Corps Suevia erwarb das Anwesen. Quelle: Privatsammlung
Der Gartensalon im Erdgeschoss, um 1930
Der Gartensalon im Erdgeschoss, um 1930 Nur 320.000 Reichsmark zahlte das Corps Suevia, das so berühmte Mitglieder wie Ludwig Thoma oder den Archäologen Theodor Wiegand in seinen Reihen zählte, an Lauer für den vornehmen Herrensitz. Quelle: Privatsammlung
Die „Kneipe“ im Obergeschoss, um 1930
Die „Kneipe“ im Obergeschoss, um 1930 Die Räumlichkeiten des Anwesens boten ideale Voraussetzungen für alle Aktivitäten – mit zahlreichen Arbeits- und Aufenthaltsräumen, einer Bibliothek, einer Kegelbahn im Keller, einem Billardzimmer ... Quelle: Privatsammlung
Der große Saal – Konzertsaal – im Erdgeschoss mit Loge im Obergeschoss (1. Stock), um 1930
Der große Saal – Konzertsaal – im Erdgeschoss mit Loge im Obergeschoss (1. Stock), um 1930 ... und dem großen Saal, in dem rauschende Feste gefeiert wurden. Quelle: Privatsammlung
Der Brunnen im Garten, um 1920
Der Brunnen im Garten, um 1920 Die Fotografie zeigt den Brunnen im Garten des etwa 3000 qm großen Anwesens. Quelle: Stadtarchiv München, FS-NL-PETT1-2510
Rückansicht der Brunnenfigur im Garten, um 1920
Rückansicht der Brunnenfigur im Garten, um 1920 Die Aufnahme zeigt, dass die Lauervilla und die Kirche St. Georg, deren Apsis im Hintergrund links zu erkennen ist, nur wenige Meter voneinander entfernt lagen. Zwischen den Mauern der beiden Grundstücke verlief die nach Norden führende Kirchgasse. Quelle: Stadtarchiv München, FS-NL-PETT1-2509
Die Städtische Luftschutzschule in der Neuberghauser Straße 10, 1943
Die Städtische Luftschutzschule in der Neuberghauser Straße 10, 1943 Während des Zweiten Weltkriegs war eine Luftschutzschule in den Räumlichkeiten der ehemaligen Lauervilla untergebracht. Das direkt benachbarte alte Schulhaus wurde durch einen Bombentreffer in der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 1943 vollkommen zerstört. Quelle: Stadtarchiv München, FS-WKII-STR-2345 Erstellt von: Johann Meyer

Ort

Neuberghauser Str. 11, 81675 München

Metadaten

Karin Bernst, “Die Lauervilla in Bogenhausen,” MunichArtToGo, zuletzt zugegriffen am 18. April 2025, https://municharttogo.zikg.eu/items/show/219.