Die Holbeinstraße Nr. 4 in Bogenhausen
Die Geschichte des Malers Alfred Schwarzschild (1874–1948)
„Yes I remember that building very well. My parents lived on the top floor with the big windows. One of my earliest memories was that balcony, I used to be allowed out there sitting on my little tin potty and getting into trouble for throwing it over the top onto some people walking past!“– Erinnerung von Alfred Schwarzschilds Tochter Theodora, die 1932 in München geboren wurde und mit ihrer Familie in der Holbeinstraße 4 aufwuchs.
Das viergeschossige Wohnhaus wurde 1907/1908 von den Architekten Max Kirschner und Sigmund Weidenschlager errichtet. Es ist Teil des Wohnhaus-Ensembles der beiden Architekten, links schließen die Hausnummern Holbeinstraße 6 und 8 an.
Die Nummer 4 ist durch eine einprägsame Asymmetrie gekennzeichnet, die sich in den beiden formalternierenden Erkern widerspiegelt. Die Fassade wird von einem halbrunden Erker dominiert, der oben mit einem Balkon mit Säulengeländer abschließt. Der schlichtere Erker über dem Eingang ist mit einem goldenen Blumenmosaik verziert. Über dem vierten Stock wurde ein Atelierbau mit großen Fenstern eingebaut, welche beidseitig von Reliefs der Allegorien der Malerei eingerahmt werden.
In diesem Atelier wohnte und arbeitete ab Mitte der 1920er Jahre der jüdische Maler Alfred Schwarzschild (1874–1948). Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verließ er Deutschland und floh 1936 nach England.
Der Maler heiratete 1924 seine Frau Theodora Luttner und zog nach München in die Holbeinstraße 4. In dieser Zeit wurden seine drei Töchter geboren, die im Atelier spielten und für seine Arbeiten Modell standen. Seine Werke zeichnen sich durch einen traditionellen Malstil aus und seine Tochter Theodora betont, dass er sich nicht dem neuesten Trend des Art Deco anpassen wollte. Neben Auftragswerken und Familienbildern illustrierte er Bücher und wurde vor dem Zweiten Weltkrieg beauftragt, ein „typisches arisches Mädchen“ zu malen. Es entstanden mehrere Postkarten zum Oktoberfest und eine Postkarte mit dem Titel Grüße aus München!, die in ganz Deutschland verbreitet wurde. Dass es sich bei dem Vorbild des Münchner Kindls mit Breze, Bierkrug und Münchner Skyline um seine jüngste Tochter handelte, wurde erst nach seiner Flucht aus Deutschland bekannt.
Ich danke Alfred Schwarzschilds jüngster Tochter Theodora und ihrem Sohn Phillip für die Bereitstellung der Fotografien und ihre freundliche Kommunikation.