Das Wohnhaus Konradstraße 16
Thomas Mann zu Besuch bei Wilhelm Spiegelberg

Nachdem sich Thomas Mann und der Münchner Ägyptologe Wilhelm Spiegelberg im Nachgang einer Lesung Manns ausgetauscht hatten, kam es Ende 1927 zu einem ersten persönlichen Zusammentreffen. Thomas Mann erhoffte sich von Spiegelberg Unterstützung und Rat bei seiner Recherche für den Josephs-Roman.
Spiegelbergs Sohn Herbert (1904–1990) erinnert sich an dieses Zusammentreffen:
„Nicht lange nach der Antwort meines Vaters besuchte Thomas Mann ihn um die Teestunde in seinem Studierzimmer in der Konradstraße 16/II für etwa zwei Stunden. Aus dem Bericht meines Vaters nach der Begegnung erinnere ich mich, daß sich dabei herausstellte, daß Thomas Manns ägyptologische Quellen veraltet waren, z.B. das phantasiehafte Werk eines längst verstorbenen Münchner Ägyptologen Franz Josef Lauth. Mein Vater schlug ihm besonders Erman-Ranke, Ägypten, und Adolf Ermans Anthologie Die Literatur der alten Ägypter als beste Einführung vor, vielleicht auch Breasted. Außerdem fragte Thomas Mann meinen Vater, ob es gerechtfertigt sei, den Besuch Josephs so anzusetzen, daß der Sonnenmonotheismus des Echnaton mit dem hebräischen Monotheismus in Beziehung gesetzt werden könne. Mein Vater erklärte ihm nach meiner Erinnerung, daß zwar keine konkreten Grundlagen für eine solche historische Hypothese vorlägen, daß er darin aber keinen genügenden Gegengrund sähe, eine solche Verbindung dichterisch zu entwickeln, da sie nicht unmöglich sei.“ (zit. nach Grimm 1992)
Es ist davon auszugehen, dass es in den drei Jahren gemeinsamer Zusammenarbeit bis zu Spiegelbergs überraschendem Tod Ende 1930 zu Gegenbesuchen und weiteren Treffen kam. Das vermutlich letzte Treffen in Spiegelbergs Privatwohnung diente der Reisevorbereitung Thomas Manns. Er schrieb am 25. Dezember 1929:
„Sehr verehrter Herr Professor,
[..]
Darf ich Sie wohl wieder einmal besuchen? Meine Frau und ich planen nämlich noch für diesen Winter eine Reise nach Ägypten und ich würde mir gern allerlei Rat von Ihnen holen.
Ihr ergebener
Thomas Mann“ (zit. nach Grimm 1992)
In seinen Erinnerungen schildert Herbert Spiegelberg das Treffen:
„Thomas Mann kam kurz danach wieder für einen Teebesuch. Praktische Fragen zur Reiseroute standen diesmal im Vordergrund. Baedekers Ägypten mit den ägyptologischen Informationen von Georg Steindorff war wohl der Haupttext, auf den ihn mein Vater verwies. Auch an den Namen Ludwig Borchardt glaube ich mich zu erinnern. Ferner schlug mein Vater vor, Mitglied der Deutschen Orientgesellschaft zu werden. Auch gab er ihm einen Sonderdruck seiner Studie über „Die Glaubwürdigkeit Herodots im Lichte ägyptischer Denkmäler“. Das Exemplar im Thomas-Mann-Archiv Zürich zeigt viele Anstreichungen und das Wort „Hathor“. Natürlich hatte mein Vater Thomas Mann auch Herodots Ägyptenbericht vorgeschlagen.“ (zit. nach Grimm 1992)
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