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Thomas Mann in der Glyptothek

Bis 1944 war die Sammlung ägyptischer Objekte König Ludwigs I. im Ägyptischen Saal der Glyptothek ausgestellt. Thomas Mann ließ sich bei der Arbeit an seinem Josephs-Roman auch von den dort gezeigten Stücken inspirieren.

Die erste Idee für eine Bearbeitung des biblischen Joseph-Stoffes bekam Thomas Mann bereits im Winter 1923/24, und schon in seinem Ende 1924 abgeschlossenen Werk „Der Zauberberg“ beschäftigte er sich mit dem Alten Ägypten. Eine dreiwöchige Mittelmeerreise führte ihn im März auch nach Kairo, von wo aus er einen Tagesausflug nach Theben unternahm, bei dem er die Gräber im Tal der Könige besuchte. Passagen dieses Besuchs fanden später ihren Weg in die Romane.

Bei der Recherche für seinen Josephs-Roman legte Thomas Mann großen Wert auf Authentizität; so nahm er in München Kontakt mit dem Ägyptologen Wilhelm Spiegelberg auf. Von ihm ließ er sich Literatur empfehlen und seine Idee absegnen, die Josephsgeschichte in der Zeit von Amenophis IV. / Echnaton spielen zu lassen. Gemeinsam besuchten die beiden auch die Glyptothek und deren Ägyptischen Saal.

Einige der dort betrachteten Objekte finden sich in den Romanen wieder. Aus der Würfelstatue des Bakenchons wurde die Figur des „staatsklugen Ober-Blankschädels Beknechons“. Den Namen und Rang übernahm Mann vom Münchner Stück, für die Beschreibung des Gesichts griff er allerdings auf den berühmten Grünen Kopf aus dem Berliner Ägyptischen Museum zurück.

Eine Szene von Trauernden auf dem Grabrelief des Imen-em-Inet inspirierte ihn zur Beschreibung eines Trauerzuges: „ […] so daß die Hofherren die Schultern hochzogen und den Mund mit der hohlen Hand bedeckten […]“ (zit. nach Grimm 1992).

Für die Vorbereitung einer weiteren Ägyptenreise traf sich Thomas Mann Ende des Jahres 1929 wieder mit Wilhelm Spiegelberg, der ihn nicht nur mit Literatur zur Reisevorbereitung versorgte, sondern auch gemeinsam mit Thomas Mann und seiner Frau am 14. Februar 1930 nach Ägypten aufbrach und die beiden begleitete. Am 19. Februar trennten sich ihre Wege: Die Manns brachen zu einer rund vierwöchigen Ägyptenrundreise auf, die sie durch das ganze Niltal führte. Mitte März trafen sich Mann und Spiegelberg erneut in Kairo. Sie unternahmen Ausflüge und Besichtigungen in die Umgebung und natürlich besuchten sie auch das Ägyptische Museum in Kairo unter der Führung von Spiegelberg und des Ägyptologen Percy Newberry.

Mit der Sonderausstellung „Joseph und Echnaton – Thomas Mann und Ägypten“ kehrten der Schriftsteller und sein Werk posthum nach München zurück. Der begleitende Katalog zeigt erstmals die vielfältigen Verbindungen zwischen Ägyptologie und dem Josephs-Roman auf.

Bilder

Glyptothek, Ägyptischer Saal, um 1900
Glyptothek, Ägyptischer Saal, um 1900 Im Zentrum des Ägyptischen Saals stand der von Ludwig I. aus Rom angekaufte Obelisk des Titus Sextius Africanus. Links und rechts flankieren ihn, gerahmt von Kanopen und Stelen, die ebenfalls aus römischer Zeit stammenden Sphingen und Königsstatuen aus der Villa Hadriana. Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Photothek, ZI-0939-12-00-217507-1
Würfelfigur des Bakenchons (Neues Reich, 19. Dynastie, um 1220 v. Chr.)
Würfelfigur des Bakenchons (Neues Reich, 19. Dynastie, um 1220 v. Chr.) Auf der Suche nach Anregungen für seinen Josephsroman besuchte Thomas Mann auch die Glyptothek. Dort begegnete er unter anderem der Würfelstatue des Bakenchons, Hohepriester des Amun in Theben – die später Eingang in sein Werk fand. Quelle: © Staatliches Museum Ägyptischer Kunst München, Inv.-Nr. Gl. WAF 38 – Leihgabe des Wittelsbacher Ausgleichsfonds Erstellt von: Marianne Franke
Grabrelief des Imen-em-Inet (Neues Reich, 18. Dynastie, um 1320 v. Chr.)
Grabrelief des Imen-em-Inet (Neues Reich, 18. Dynastie, um 1320 v. Chr.) Das Grabrelief des Imen-em-Inet mit seiner Darstellung trauernder Figuren inspirierte Mann für die Beschreibung eines Trauerzuges. Quelle: © Staatliches Museum Ägyptischer Kunst München, Inv.-Nr. Gl. 298 Erstellt von: Roy Hessing
Glyptothek, Ägyptischer Saal, um 1900
Glyptothek, Ägyptischer Saal, um 1900 Im Juli 1944 wurde die Glyptothek, deren Exponate schon einige Jahre zuvor ausgelagert worden waren, durch einen Bombenangriff auf die Innenstadt Münchens schwer getroffen. Der Ägyptische Saal wurde nahezu vollständig zerstört. Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Photothek, ZI-0939-12-00-217506-1
Aquarell des Ägyptischen Saals, Wilhelm August Hahn, 1938
Aquarell des Ägyptischen Saals, Wilhelm August Hahn, 1938 Während die Aufstellung der Werke in Schwarz-Weiß-Fotografien gut dokumentiert wurde, ist die ehemalige Gestaltung des Raums mit seinem prunkvollen Dekor heute nur schriftlich überliefert. Einen Eindruck der farblichen Fassung des Raumes vermittelt dieses Aquarell von Wilhelm August Hahn. Quelle: © Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek München

Ort

Königsplatz 3, 80333 München

Metadaten

Roxane Bicker, “Thomas Mann in der Glyptothek,” MunichArtToGo, zuletzt zugegriffen am 13. August 2025, https://municharttogo.zikg.eu/items/show/266.