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Architekturmuseum der TUM

Das Archiv als Freiraum der Forschung

Im Archiv des Architekturmuseums der TUM liegen Zeichnungen, Fotografien und Archivalien von einst verfeindeten Architekten und politisch konträren Architekturauffassungen im Freiraum der Forschung gleichberechtigt nebeneinander.

Das Architekturmuseum der TUM betreut eines der größten Archive im deutschsprachigen Raum für alle Bereiche der Architektur. Die Bestände – 1868 als Lehrmittelsammlung für den Architekturunterricht eingerichtet – dienen heute als Grundlage für internationale Forschungen und Publikationen sowie für die Lehre und Ausstellungen. Im Archiv liegen zahlreiche Unterlagen ehemals verfeindeter Architekten – Klenze vs. Gärtner, Thiersch vs. Riemerschmid, Bestelmeyer vs. Fischer, Fick vs. Vorhoelzer, Schmitthenner vs. Schneck – sowie von politisch sich bekämpfenden Richtungen – wie das Neue Bauen gegen Heimatschutzarchitektur – friedlich nebeneinander.

Der in Vergessenheit geratene Architekt Adolf Schneck gehörte zu den Vertretern der Moderne in Deutschland, deren Ziele – „Licht, Luft, Öffnung für ein befreites Wohnen“ (Sigfried Giedion), Rationalisierung, soziales Wohnen, neue Ästhetik – das Neue Bauen bestimmten. Besondere Bedeutung erlangte Schneck, als er auf der von Mies van der Rohe betreuten Werkbundausstellung Am Weißenhof in Stuttgart 1927 zwei Häuser errichten konnte. Die Siedlung wurde von der konservativen „Stuttgarter Schule“ um Paul Schmitthenner bekämpft und Schneck als „Baubolschewist“ beschimpft. Als Gegenmodell zum Weißenhof initiierte Schmitthenner 1933 im Rahmen der Ausstellung „Deutsches Holz“ in unmittelbarer Nachbarschaft die Kochenhofsiedlung mit Einfamilienhäusern mit konventionellen Satteldächern. Als architektonisches Ideal propagierte Schmitthenner Goethes Gartenhaus, für ihn der Urtyp eines „Deutschen Wohnhauses“, das aus „deutscher Tradition“ und „deutschem Boden“ erwachsen war und damit den Gegenpol zur traditionslosen „Internationalen Architektur“ bildete, wie sie auf dem Weißenhof demonstriert wurde. Die politische Instrumentalisierung des Gartenhauses ging im Nationalsozialismus weiter, der kleine Bau diente in vielen Varianten als Leitbild und Muster eines „deutschen Hauses“. Schneck blieb nach 1933 in Stuttgart und beschränkte sich zunächst auf seine Lehrtätigkeit an der Württembergischen Kunstgewerbeschule, passte sich dann aber doch an. Die als „entartete Architektur“ oder „Arabersiedlung“ diffamierte Siedlung Am Weißenhof sollte 1938 für den Neubau des Generalkommandos V des Heeres abgerissen werden, dazu kam es zum Glück nicht mehr.

Bilder

Eingang Archiv des Architekturmuseum der TUM
Eingang Archiv des Architekturmuseum der TUM Erstellt von: Andreas Heddergott / TUM
Paul Hugo Klopfer, Karikatur zum Streit um die Dachform
Paul Hugo Klopfer, Karikatur zum Streit um die Dachform Quelle: aus: 100 Jahre Deutscher Werkbund 1907 | 2007, hg. von Winfried Nerdinger, München 2007, S. 208.
Kleiner Führer durch die Werkbundsiedlung „Am Weißenhof“, Stuttgart, 1927
Kleiner Führer durch die Werkbundsiedlung „Am Weißenhof“, Stuttgart, 1927 Quelle: © Architekturmuseum der TUM
Adolf Schneck, Haus 2, Weißenhofsiedlung, 1927
Adolf Schneck, Haus 2, Weißenhofsiedlung, 1927 Quelle: © Architekturmuseum der TUM
Adolf Schneck, Sonnenterrasse Haus 1 mit Blick zum Haus J.J.P. Oud, Weißenhofsiedlung, 1927
Adolf Schneck, Sonnenterrasse Haus 1 mit Blick zum Haus J.J.P. Oud, Weißenhofsiedlung, 1927 Quelle: © Architekturmuseum der TUM
Kochenhofsiedlung, Stuttgart, 1933
Kochenhofsiedlung, Stuttgart, 1933 Quelle: © Architekturmuseum der TUM
Gegenüberstellung von Le Corbusiers Wohnhaus auf der Weißenhofsiedlung mit Paul Schmitthenners „Haus mit den gemauerten Gärten“, Stuttgart, 1930
Gegenüberstellung von Le Corbusiers Wohnhaus auf der Weißenhofsiedlung mit Paul Schmitthenners „Haus mit den gemauerten Gärten“, Stuttgart, 1930 Quelle: aus: Baukunst im neuen Reich, Berlin 1934.
Goethes Gartenhaus an der Ilm in Weimar
Goethes Gartenhaus an der Ilm in Weimar Quelle: Der Baumeister, 32. Jg., 1934, Heft 1, S. 1.

Ort

Arcisstraße 21, 80333 München

Metadaten

Irene Meissner, “Architekturmuseum der TUM,” MunichArtToGo, zuletzt zugegriffen am 27. Juni 2025, https://municharttogo.zikg.eu/items/show/258.