Eingeordnet unter Kunsthandlung

Das Kunst- und Einrichtungshaus L. Bernheimer

„Unerhörte Kühnheit“ am Lenbachplatz: „eine neue Ära im Münchener Geschäftshausbau“*

Der imposante Bau am Lenbachplatz 3 (früher Maximiliansplatz) barg für fast ein Jahrhundert Werk und Wirken des Unternehmens L. Bernheimer. In dem 1890 und 1910 fertiggestellten Wohn- und Geschäftshaus von Friedrich von Thiersch und Martin Dülfer präsentierte sich die Firma als Kunsthandlung und Einrichtungshaus des gehobenen Bürgertums in modernem Ausstellungsgebäude. Mit der stilistischen Abgrenzung der beiden Geschäftsetagen von den darüberliegenden Wohngeschossen wurde es zum „Münchner Prototyp“ (Habel / Hallinger / Weski 2009, S. 458). Der Gebäudekomplex enthielt einst eine eigene Möbelschreinerei, Architekturbüros, ein Fotoatelier, eine Schneiderei und eine Buchdruckereiwerkstatt.

Ursprünglich hatte Lehmann Bernheimer (1841–1918) am 10. Mai 1864 an der Ecke Promenadestraße und Salvatorstraße ein Stoffwarengeschäft eröffnet, das bereits nach einigen Jahren in die Kaufingerstraße 16 umsiedelte. Hier wurden nun auch „orientalische“ Teppiche und Ostasiatika angeboten. Die Geschäftsräume sollen gefüllt gewesen sein mit fernöstlichen Schätzen, die sogar als Modelle für die Münchener Künstlerschaft gedient haben sollen. Der Firmengründer ist in den 1880er Jahren zum königlich bayerischen Hoflieferanten und zum ersten königlichen Kommerzienrat ernannt worden.

Von 1887 bis 1890 ließ Lehmann Bernheimer am Lenbachplatz 3 (früher Maximiliansplatz, an der Stelle des alten ‚Englischen Café‘) ein imposantes Wohn- und Geschäftshaus nach Plänen von Friedrich von Thiersch (1852–1921) und Martin Dülfer (1859–1942) errichten. Das sogenannte Bernheimer-Palais mit Stilelementen der Neorenaissance und des Neobarocks deckte eine Fläche von etwa 1.500 Quadratmetern ab und verlieh München vorbildhaften Großstadtcharakter. Zwischen 1908 bis 1910 folgte wiederum von Friedrich von Thiersch ein Erweiterungsbau, der die Grundstücke Ottostraße 13 bis 15 und Lenbachplatz 3 miteinander verband. Die Neubauten wurden feierlich unter Anwesenheit des Prinzregenten Luitpold eingeweiht. Der Geschäftskomplex beinhaltete eine Möbelschreinerei, Architekturbüros, ein Fotoatelier, eine Schneiderei sowie eine Buchdruckereiwerkstatt, sodass die Firma bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs 115 Mitarbeiter:innen beschäftigte. Das Konzept traf den Zeitgeschmack, indem Kunstwerke und Kulturgüter mit neuangefertigten Einrichtungsgegenständen kombiniert und mit umfassenden handwerklichen Dienstleistungen angeboten wurden. Besonders berühmt waren L. Bernheimers „Musterzimmer“. Mittels einziehbarer Stoffbahnen konnten außerdem verschiedene Raumsituationen individuell angepasst werden und im Gobelinsaal sowie im italienischen Skulpturenhof Objekte in beeindruckendem Ambiente präsentiert werden. Das Deutsche Museum, in dessen Verein Bernheimers sich engagierten, legte besonderen Wert auf deren Expertise. Zu L. Bernheimers prominenten Kunden zählten ferner Mitglieder des Bayerischen und Preußischen Königshauses. Münchner Kunsthändler:innen erwarben hier Ausstattungsstücke für das eigene Geschäft, die Privatwohnung oder ließen Reparaturen und Restaurierungen in den Werkstätten ausführen. 1918 hatten Lehmann Bernheimers Söhne Max (1870–1933), Ernst (1875–1956) und Otto Bernheimer (1877–1960) die Firmenleitung übernommen. Letzterer wurde zum mexikanischen Konsul ernannt.

1933 setzte die Verfolgung und wirtschaftliche Verdrängung der vom NS-Regime als jüdisch bezeichneten Familie ein. Das Geschäft wurde mit Vertrag vom 16. November 1939 durch die Kameradschaft der Künstler e. V. „arisiert“, als deren Präsident der Gauleiter von München und Oberbayern, Adolf Wagner fungierte, und unter dem Namen „Münchner Kunsthandels-Gesellschaft“ fortgeführt. Nach der Rückerstattung des Unternehmens 1948 widmete sich Otto Bernheimer erneut dem Münchner Geschäft und engagierte sich besonders für den lokalen Kunsthandel. Nach dessen Tod 1960 übernahm zunächst sein Sohn Ludwig Bernheimer die Geschäftsführung, gefolgt von Bruno Taussig und Kurt Behrens. Ab 1977 führte Konrad Otto Bernheimer, Otto Bernheimers Enkel, das Geschäft, bis schließlich im Jahr 1987 die Firma L. Bernheimer aufgelöst wurde.


* Alexander Heilmeyer: Zum Erweiterungsbau des Geschäftshauses Bernheimer in München, in: Kunst- und Handwerk 61 (1910), Heft 1, S. 1–7, hier S. 1.

Audio

Das Kunst- und Einrichtungshaus L. Bernheimer – jetzt anhören! Dauer: 4:14 Min. | Audioedition: Neda Savkovic

Bilder

Kauf- und Wohnhaus L. Bernheimer, 1890–1893
Kauf- und Wohnhaus L. Bernheimer, 1890–1893 „Es handelte sich bei der Lösung der Aufgabe in erster Linie um die Schaffung gewaltiger Parterre- und Souterrain-Geschäftsräumlichkeiten, mithin umfangreicher Lichtquellen.“ (Architektonische Rundschau 9 [1893], Heft 1, o. S. [S. 2]). Quelle: Blätter für Architektur und Kunsthandwerk 6 (1893), Taf. 5.
Das „neuerbaute Palais des Kommerzienrates Herrn Bernheimer“, vor 1893
Das „neuerbaute Palais des Kommerzienrates Herrn Bernheimer“, vor 1893 … das „zu jenen Bauten gehört, welche der Isarstadt das Gepräge der Grossstadt zu verleihen berufen erscheinen“ (Architektonische Rundschau 9 [1893], Heft 1, Abb. Taf. 4–5, zit. o. S. [S. 2]). Quelle: Architektonische Rundschau. Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst 9 (1893), Heft 1, Abb. Taf. 4–5, zit. o. S. [S. 2].
Haustür an der Südseite, Skizze von Martin Dülfer, 1891
Haustür an der Südseite, Skizze von Martin Dülfer, 1891 „Die ganze Erscheinung des ebenso pompös und geistreich gedachten, künstlerisch und praktisch gleich wertvollen Baues hat für München insofern eine grosse Bedeutung, als sie darthut, wie auch am Profanbau die monumentale Erscheinung zur Geltung gebracht werden kann bei aller Erfüllung praktischer Erfordernisse.“ (H. E. v. B. u. Fr. W.: Taf. 4 und 5. Wohn- und Geschäftshaus des Herrn Kommerzienrat L. Bernheimer […], in: Architektonische Rundschau 9 [1893], Heft 1, o. P. [S. 1–2]). Quelle: Architektonische Rundschau. Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst 9 (1893), Heft 2, Taf. 30.
Haupttreppenhaus des Erweiterungsbaus, 1910/11
Haupttreppenhaus des Erweiterungsbaus, 1910/11 Vestibül und Haupttreppenhaus befanden sich im Mittelbau an der Ottostraße. Quelle: Blätter für Architektur und Kunsthandwerk 24 (1911), Heft 2, Taf. 12.
Erweiterungsbau Ottostraße 14, 15 und 16, 1910/11
Erweiterungsbau Ottostraße 14, 15 und 16, 1910/11 Die Fassade an der Ottostraße war im „Charakter einfacher Münchner Verputzarchitektur des 18. Jahrhunderts“ gehalten. (Bayerischer Architekten- und Ingenieurverband [Hg.], München und seine Bauten, München 1912, S. 339). Erstellt von: Blätter für Architektur und Kunsthandwerk 24 (1911), Heft 2, Taf. 11.
„Ausstellungssaal alter Möbel“, 1910/11
„Ausstellungssaal alter Möbel“, 1910/11 Die Ausstattung der Schauräume „mit teilweise alten Dingen“ war durch Otto Bernheimer erfolgt. (Bayerischer Architekten- und Ingenieurverband [Hg.], München und seine Bauten, München 1912, S. 339). Quelle: Blätter für Architektur und Kunsthandwerk 24 (1911), Heft 10, Taf. 93.
Entwurf eines Herrenzimmers von Willibald Ferber, vor 1919
Entwurf eines Herrenzimmers von Willibald Ferber, vor 1919 „Die kulturell wertvollste Besonderheit des Hauses Bernheimer aber offenbart sich […] in der Tätigkeit seines Architekturbüros, die wieder in engster Verbindung steht mit dem künstlerischen Besitz der Firma und den Werkstätten, die sie beschäftigt […] der Besteller […] sieht im Bilde schon vorher das betreffende Interieur so, wie es nachher wirklich aussehen wird.“ (Fritz von Ostini: Das Haus Bernheimer in München, in: Innendekoration 30 [1919], Heft 1/2, S. 29). Quelle: Fritz von Ostini: Das Haus Bernheimer in München, in: Innendekoration 30 (1919), Heft 1/2, S. 27.
Gobelinsaal, 1910/11
Gobelinsaal, 1910/11 Als „Prunkstück des Neubaues“ galt der über zwei Stockwerke reichende Gobelinsaal im Stil der italienischen Hochrenaissance, der mit drei großen Rundbogenfenstern ausgestattet war. (Alexander Heilmeyer: Zum Erweiterungsbau des Geschäftshauses Bernheimer in München, in: Kunst- und Handwerk 61 [1910], Heft 1, S. 1–7, hier S. 4). Quelle: Blätter für Architektur und Kunsthandwerk 24 (1911), Heft 2, Taf. 13.
Teppichsaal, 1910/11
Teppichsaal, 1910/11 "Der Geschäftsbetrieb gab die Veranlassung zur Beschaffung weiter, lichter, hallenartiger Räume, so entstanden der große Raum für orientalische Teppiche, und darüber der Raum für deutsche Teppiche [...] Die Ausstattung wurde wiederum durch den Zweck, dem die Räume dienen, bedingt. In den Verkaufsräumen für Teppiche ist sie ganz einfach, da ja die von der Galerie herabhängenden Teppiche, die Stoffe an den Wänden selbst eine ausgesucht feine Dekoration des Raumes bilden". (Kunst- und Handwerk 61 [1910], Heft 1, S. 4). Quelle: Kunst und Handwerk 61 (1910/11), Heft 1, S. 2.
Spitzensaal, 1910/11
Spitzensaal, 1910/11 Eine Ausstellung kostbarer Stickereien und Spitzen befand sich im großen Saal des Mittelbaus im 3. Stock. Quelle: Kunst und Handwerk 61 (1910/11), Heft 1, S. 5.
Hof nach den Arkaden, 1910/11
Hof nach den Arkaden, 1910/11 „Der freie Hofraum zwischen dem neuen Flügel, den nachbarlichen Anwesen und dem Vorderhause am Lenbachplatz erhielt nach italienischen Vorbildern eine malerische Ausgestaltung mit offenen Hallen und einer Freitreppe. Es war die Absicht, die dort teils eingemauerten, teils frei aufgestellten Architekturteile, Figuren, Gartendekorationsstücke usw. zu einer besonderen Wirkung zu bringen. Zum gleichen Zweck und zum Schmuck des Hofraumes wurde eine Anzahl alter Marmorportale, Steinreliefs und Wappen aus der Sammlung der Firma eingebaut.“ (Anon.: Der Erweiterungsbau des Geschäftshauses L. Bernheimer in München, Ottostraße 14, 15 und 16, in: Blätter für Architektur und Kunsthandwerk 24 [1911], Heft 2, S. 5). Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Photothek/Archiv, Th. 179644 Erstellt von: Ehem. Staatliche Bildstelle Berlin
Blick in den Hof, 1910/11
Blick in den Hof, 1910/11 „Es fehlt dem stimmungsvollen Hofe nichts als der ewig blaue italienische Himmel darüber. […] Der Besucher, der alle diese Herrlichkeiten genießt, vergißt auf Augenblicke, daß er sich in unmittelbarer Nähe der belebten Straßen und Plätze Münchens befindet.“ (Alexander Heilmeyer: Zum Erweiterungsbau des Geschäftshauses Bernheimer in München, in: Kunst- und Handwerk 61 [1910], Heft 1, S. 1–7, hier S. 5, 6). Quelle: Blätter für Architektur und Kunsthandwerk 24 (1911), Heft 10, Taf. 92.
Titelseite des „Spiegels“ vom 24. Dezember 1957
Titelseite des „Spiegels“ vom 24. Dezember 1957 Otto Bernheimer, Präsident des Bundesverbands des deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels e. V., auf der Titelseite des „Spiegels“: „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Antiquitätenhändler Bernheimer“ (Der Spiegel 52, 24.12.1957). Datum: Emily D. Bilski, Die Kunst- und Antiquitätenfirma Bernheimer, Ausst.-Kat. München, München 2007, S. 29.
„Haus Bernheimer“, vor 1987
„Haus Bernheimer“, vor 1987 Bis zur Löschung der Firma 1987 hatte das „Bernheimer-Palais“ sich fast ein Jahrhundert lang am Lenbachplatz 3 befunden. Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Photothek/Archiv, Th. 223885 Erstellt von: Arthur Schlegel

Ort

Lenbachplatz 3 (ehemals Maximiliansplatz), 80333 München | Privatbesitz

Metadaten

Melida Steinke, “Das Kunst- und Einrichtungshaus L. Bernheimer,” MunichArtToGo, zuletzt zugegriffen am 12. Dezember 2024, https://municharttogo.zikg.eu/items/show/22.