Eingeordnet unter Orte der Erinnerung

Die Mauerkircherstraße 13

Wohnung der Familie Jordan

Das im Jahr 1910 vom Architekten Max Neumann errichtete Jugendstil-Mietshaus war nicht nur zwischen 1910 und 1914 das Zuhause von Thomas und Katia Mann, sondern diente von 1925 bis 1940 auch der im Nationalsozialismus als jüdisch verfolgten Kunsthändlerfamilie Jordan als Wohnsitz.

Der „Fritz“ genannte Siegfried Jordan wurde am 18. Juli 1889 in eine Münchner Viehhändlerfamilie geboren. Er absolvierte eine Ausbildung zum Kaufmann und spezialisierte sich auf den Kunsthandel. Neben seiner beruflichen Tätigkeit war er ein begeisterter Skifahrer. Am 16. Dezember 1921 heiratete er Paula Frank, geboren am 17. Mai 1889 in Steinach an der Saale, die sich neben Kunst auch für Literatur und Musik interessierte.

1921 meldete Fritz Jordan die Kunstgalerie als Gewerbe an. Zunächst hatte sie ihren Sitz in der Blumenstraße 21, zog um 1929 in die Herzog-Rudolf-Straße 29 und etwa 1935 in die Prinzregentenstraße 2. Zwei Jahre nach der Geburt ihres Sohnes Peter, der 1923 auf die Welt kam, zog die junge Familie in eine Fünf-Zimmer-Wohnung im dritten Stock der Mauerkircherstraße 13.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurden Siegfried und Paula Jordan, wie alle jüdischen Kunsthändler*innen, aus der Reichskammer der bildenden Künste ausgeschlossen und ihnen somit die Genehmigung entzogen, mit „deutschem Kulturgut“ zu handeln. 1938 sahen sie sich schließlich gezwungen, ihr Geschäft endgültig aufzugeben. Die Galerie wurde von einem langjährigen Mitarbeiter sowie von Paula Jordans nicht-jüdischem Schwager, den späteren Bundesjustizminister Dr. Thomas Dehler, übernommen und damit „arisiert“.

Aus der Wohnung in der Mauerkircherstraße wurden mit der Begründung des „Schutzes von deutschem Kulturgut“ in der „Reichskristallnacht“ am 9. November 1938 Möbel und Gemälde des 19. Jahrhunderts beschlagnahmt. Am Tag danach wurde Siegfried Jordan ins Konzentrationslager Dachau verschleppt und war dort bis zum 6. Dezember des Jahres inhaftiert.

Im Mai 1939 gelang es ihm und Paula, ihrem 15-jährigen Sohn Peter die Ausreise nach Großbritannien zu ermöglichen, in der Hoffnung, bald nachfolgen zu können. Ihre Wohnung in der Mauerkircherstraße mussten Siegfried und Paula Jordan im Frühjahr 1940 aufgeben, da sie von den Nationalsozialisten beansprucht wurde. Sie fanden vorübergehend Zuflucht in einer Pension in der Leopoldstraße 16.

Zusammen mit rund 1.000 anderen jüdischen Frauen, Männern und Kindern erhielten sie im November 1941 den ersten Deportationsbefehl in München. Am 20. November 1941 verschleppte die Gestapo sie in die sogenannte „Judensiedlung Milbertshofen“ in der Knorrstraße 148, von wo aus sie nach Kaunas in Litauen deportiert wurden. Dort wurden sie am 25. November 1941 von SS-Einsatzgruppen erschossen und in Massengräbern begraben.

Für Siegfried und Paula Jordan wurden 2004 Stolpersteine verlegt, die jedoch nach wenigen Wochen wieder entfernt werden mussten. Nach 15 Jahren des Ringens um diese Form der Erinnerung stimmte die Stadt München als Kompromiss zu, eine Stele vor dem Wohnhaus zu errichten, die an das Schicksal der beiden erinnert.

Bilder

Die Mauerkircherstraße 13 im März 2011
Die Mauerkircherstraße 13 im März 2011 Das Jugendstil-Mietshaus mit Fenstererkern wurde 1910 von Max Neumann errichtet. Quelle: Wikimedia Commons Erstellt von: AHert
Paula Jordan mit ihrem Sohn Peter vor der Kunstgalerie, ca. 1928
Paula Jordan mit ihrem Sohn Peter vor der Kunstgalerie, ca. 1928 „Fritz Jordan betrieb in München eine erfolgreiche Kunstgalerie.“ (Michael Hansch: Familie Jordan, DMAO München, 3. Mai 2020, Mauerkircherstraße 13) Quelle: © Michael Hansch
Fritz Jordan und sein Sohn Peter, ca. 1926
Fritz Jordan und sein Sohn Peter, ca. 1926 „Fritz und Paula Jordan gelang es in Mai 1939 den 15-jährigen Sohn Peter einen Transit nach England zu verschaffen.“ (Michael Hansch: Familie Jordan, DMAO München, 3. Mai 2020, Mauerkircherstraße 13) Quelle: © Michael Hansch
Die Wohnung der Familie Jordan in der Mauerkircherstraße 13
Die Wohnung der Familie Jordan in der Mauerkircherstraße 13 „Die bürgerliche Wohnung in der Mauerkircherstraße im dritten Stock war der Ruhepunkt der Familie.“ (Michael Hansch: Familie Jordan, DMAO München, 3. Mai 2020, Mauerkircherstraße 13) Quelle: © Michael Hansch
Die Gedenkstele für Fritz und Paula Jordan
Die Gedenkstele für Fritz und Paula Jordan Die Stele wurde 2018 vor dem Wohnhaus installiert. Quelle: DenkMalAmOrt
Die Gedenkstele für Paula Jordan
Die Gedenkstele für Paula Jordan Bei der Einweihung in der Mauerkircherstraße 13 konnte Peter, der Architekt in Manchester geworden war, im hohen Alter anwesend sein. Quelle: DenkMalAmOrt

Ort

Mauerkircherstraße 13, 81679 München

Metadaten

MunichArtToGo, “Die Mauerkircherstraße 13,” MunichArtToGo, zuletzt zugegriffen am 29. März 2025, https://municharttogo.zikg.eu/items/show/217.