Eingeordnet unter Ägyptologie

Der Grabstein von Friedrich von Schlichtegroll auf dem Alten Südfriedhof

Ein fast vergessenes Grab eines Universalgelehrten

Auf dem Alten Südfriedhof findet sich neben zahlreichen bekannten Persönlichkeiten des 18. und 19. Jahrhunderts auch das Grab von Friedrich von Schlichtegroll, dem ersten Generalsekretär der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, der Anteil an der Entzifferung der Hieroglyphen hatte.

Friedrich von Schlichtegroll (1765–1822) war Philologe, Numismatiker, Altertumsforscher, Mozart-Biograph und von 1807–1822 erster Generalsekretär der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Dort förderte er die Beschäftigung mit der altägyptischen Kultur. Seine Absicht war es, den Wettstreit um die Entzifferung der Hieroglyphenschrift zugunsten der deutschen Forscher zu beeinflussen. Hierzu ließ er 1817 mittels der kurz zuvor in München von Alois Senefelder entwickelten Technik der Lithographie eine Reproduktion des Rosetta-Steins anfertigen.

Schlichtegroll selbst berichtete hierüber in einer Rede, die er am 28. März 1818 zur Feier des Stiftungstages der Akademie der Wissenschaften gehalten hatte, die unter dem Titel „Ueber die bey Rosette in Aegypten gefundene dreyfache Inschrift“ auch in gedruckter Form vorgelegt wurde. Dort stellte er fest:

Der heilige Käfer mit seinen großen Flügeln, der geweihte Sperber, Isis mit dem Horus an der Brust, Anubis mit dem Kopf des Hundes, das Auge, der Lotus, das Sistrum und ähnliche Embleme wiederholen sich in mannichfaltiger und doch auch wiederkehrender Verbindung so unzähligmal in diesen Bilderreihen, daß man meynt, es muß sich durch Scharfsinn und Glück ein Schlüssel dazu finden;“ (Schlichtegroll 1818, S. 8).

Die bisherigen Bemühungen im internationalen Wettstreit um die Entzifferung der Hieroglyphen waren bisher aber alle vergebens. „Niedergeschlagen gab der ernste Forscher die Hoffnung fast auf; immer von neuem lud die unzählbare Menge solcher Bilderreihen, mit Absicht und Sinn auf die Tausend großen und kleinen Monumente hingesetzt, zur Lösung des Räthsels ein, und immer blieb es ungelöst … Nirgends ein Anhaltspunct, nirgends ein Landungsplatz, wo der muthige Forscher Anker werfen und, wenn auch Fuß für Fuß, das unbekannte Land erobern könnte.“ (Schlichtegroll 1818, S. 11).

Die Resignation, die aus diesen Worten spricht, benutzte Friedrich von Schlichtegroll, um dem nun doch aufkeimenden Hoffnungsschimmer besonderes Gewicht zu verleihen:
Man denke sich daher die freudige Überraschung, als vor etwa 17 Jahren die Nachricht erscholl, es sey bey Rosette in Aegypten ein Basaltstein gefunden worden, der eine dreyfache Inschrift enthielte, erst eine Anzahl hieroglyphischer, weiter unten vier und dreyßig koptische, und noch tiefer vier und funfzig griechische Zeilen, … Eine neue Hoffnung ging auf! Die Gelehrten, die der französischen Armee nach Aegypten gefolgt waren, hatten sogleich, als der Stein bey Rosette gefunden worden, die Wichtigkeit desselben erkannt!“ (Schlichtegroll 1818, S. 12).

Allerdings musste Schlichtegroll daraufhin sofort wieder relativieren: „Aber die Haupterwartung, einen sicheren Schlüssel zu der Hieroglyphenschrift zu finden, wurde bis jetzt nicht erfüllt.“ (Schlichtegroll 1818, S. 14).

Das sollte aber nicht so bleiben, weshalb Schlichtegroll nun selbst aktiv wurde und ankündigte, zur Entschlüsselung der Schrift beitragen zu wollen und rief seine gelehrten Kollegen dazu auf, sich anzuschließen. Wichtig war für Schlichtegroll vor allem, dass möglichst vielen Forschern die Gelegenheit gegeben wurde, sich mit den Inschriften auseinanderzusetzen. Zwar gab es seit längerem Abbildungen, vor allem Kupferstiche, der Inschrift, die unter anderem auch von den Briten herausgegeben wurden, aber diese waren für viele Forschende schwer erreichbar, nur in wenigen Bibliotheken vertreten und zudem auf Grund ihres hohen Preises unerschwinglich. Schlichtegroll forderte daher, dass Abbildungen des Steins den Forschern zugänglich gemacht werden sollten.

Hier konnte er auf die Forschungsinfrastruktur und einen besonderen Standortvorteil in München zurückgreifen, denn er hatte veranlasst, dass die englischen Lithographien des Steins vervielfältigt wurden und in München für ganz Deutschland zur Verfügung standen. Bescheiden in einer erklärenden Fußnote fügte Schlichtegroll hinzu, was er veranlasst hatte: „Ich habe die drey Englischen Kupferblätter auf sechs Steine übertragen lassen, so daß das zu München verfertigte treue Nachbild in sechs Blättern besteht." (Schlichtegroll 1818, 25, Anmerkung).

Nichts desto trotz gelang die Entzifferung der Hieroglyphenschrift dann doch einem Franzosen, nämlich Jean-François Champollion (1790–1832), der diesen Erfolg am 25. Oktober 1822 in der berühmten Lettre à M. Dacier bekannt machte.

In Schlichtegrolls Amtszeit als Generalsekretär der Akademie fallen auch die ersten Schenkungen und Erwerbungen von ägyptischen Altertümern als Grundstock einer Sammlung der Akademie. Schlichtegroll hatte bereits 1818 die Hoffnung geäußert, durch günstige Erwerbungen eine Sammlung von beschrifteten altägyptischen Originalen, vorwiegend Särgen und Stelen, aufbauen zu können. Dies bildete gewissermaßen das Gegenstück zu den Erwerbungen von Ludwig I., der überwiegend „Objekte herausragender Schönheit“ ankaufen ließ, also den Schwerpunkt Kunst förderte, wohingegen Schlichtegroll mit den beschrifteten Objekten den – aus damaliger Sicht – wissenschaftlichen Aspekt förderte.

Friedrich von Schlichtegroll starb kurz nach Champollions Triumph am 4. Dezember 1822. Sein Grabstein auf dem Alten Südfriedhof (M-re-213) wurde 2009/2010 mit Mittel des Freundeskreises des Ägyptischen Museums München e.V. restauriert und erstrahlt seither in neuem Glanz.

Bilder

Friedrich von Schlichtegroll (1765–1822)
Friedrich von Schlichtegroll (1765–1822) Quelle: Bayerische Akademie der Wissenschaften
Friedrich von Schlichtegrolls Grabstein vor der Restaurierung, 2009
Friedrich von Schlichtegrolls Grabstein vor der Restaurierung, 2009 Quelle: Staatliches Museum Ägyptischer Kunst
Schlichtegrolls Grabstein nach der Restaurierung, 2010
Schlichtegrolls Grabstein nach der Restaurierung, 2010 Quelle: Staatliches Museum Ägyptischer Kunst
Feierliche Enthüllung des restaurierten Grabsteines, 2010
Feierliche Enthüllung des restaurierten Grabsteines, 2010 Quelle: Staatliches Museum Ägyptischer Kunst

Ort

Thalkirchner Straße 17, 80337 München | öffentlich zugänglich

Metadaten

Arnulf Schlüter, “Der Grabstein von Friedrich von Schlichtegroll auf dem Alten Südfriedhof,” MunichArtToGo, zuletzt zugegriffen am 8. November 2024, https://municharttogo.zikg.eu/items/show/151.