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Die Heilig-Geist-Kirche

Täuschendes Rokoko mit Brezen-Reiter

Dass die Heilig-Geist-Kirche von München früher zum größten Spital der Stadt gehörte, erkennt man heute nur mit Vorwissen. Doch wer die verräterischen Elemente einmal entdeckt hat, vergisst sie nie wieder.

Betritt man die Heilig-Geist-Kirche vom Tal aus, taucht man ein in einen heiteren Rokoko-Kosmos der Asam-Brüder. Verspielter Stuck in Rosa und Hellblau prägt den Raum – und kaschiert geschickt eine Baunaht zwischen den hinteren drei Fensterachsen und dem übrigen Kirchenraum. Die ursprüngliche Spitalkirche endete nämlich am vorderen Portal. Auch die beiden hinteren Deckengemälde verraten Kennern, dass sie stilistisch eher ins 19. Jahrhundert gehören.

Bis 1885 stand hier rechtwinklig zum Kirchenschiff das sogenannte Weiber-Spital, das Unterkunft für Pfründnerinnen bot. Die Ärmeren schliefen im Schlafsaal, die Bessergestellten in eigenen Kammern im Obergeschoss.

An die Vergangenheit als Spitalkirche erinnert das zentrale Deckenfresko: Es zeigt die Gründung des Heilig-Geist-Spitals im Jahr 1208 durch Herzog Otto II., umgeben von Armen und Kranken, die dort Hilfe finden.

Am linken Bildrand fällt eine ungewöhnliche Szene ins Auge: Ein weißes Pferd und ein Mann mit einer Breze in der Hand – der sogenannte Brezenreiter. Einer Stiftung zufolge ritt er einst jährlich vom Spital aus und verteilte Brezen an Bedürftige in der Stadt.

Die Deckenmalereien wurden nach Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg originalgetreu rekonstruiert.

Bilder

Heilig-Geist-Kirche, Funck, 1772
Heilig-Geist-Kirche, Funck, 1772 Auf diesem Kupferstich von 1772 ist unten ein Schnitt durch die Heilig-Geist-Kirche gezeigt. Man erkennt deutlich das damals noch kürzere Gebäude und das Weiber-Spital, das rechts anschließend abgebildet ist. Quelle: François de Cuvilliés/Valerian Funck, Grundriß und Querschnitt verschiedener Kirchen in München, 1772.
Heilig-Geist-Kirche, Schiessl, 1884
Heilig-Geist-Kirche, Schiessl, 1884 1884 war in dem ehemaligen Schlafsaal des Weiber-Spitals bereits die Fleischbank eingezogen. Im Folgejahr musste auch sie dem Abbruch des Gebäudes weichen. Quelle: Stadtarchiv München, FS-NL-KV-0174 Erstellt von: Anton Schiessl
Weiber-Spital, Schiessl, 1884
Weiber-Spital, Schiessl, 1884 Der Schlafsaal der armen Pfründnerinnen war eine gotische Halle, deren Kreuzgradgewölbe auf Pilaster ruhten, an die Gurtbögen angesetzt waren. Möglicherweise gingen sie noch auf Strukturen von vor dem Stadtbrand 1327 zurück. Quelle: Stadtarchiv München, FS-NL-KV-0177 Erstellt von: Anton Schiessl
Heilig-Geist-Kirche, Papst Leo XIII. mit Maria und Heiligen, Glötzle, nach 1888
Heilig-Geist-Kirche, Papst Leo XIII. mit Maria und Heiligen, Glötzle, nach 1888 In den bis 1888 neu entstandenen Gewölben der erweiterten Kirche schuf Ludwig Glötzle neue Deckenmalereien. Vergleicht man sie mit der dynamischen Bewegtheit in den Asam-Gemälden, fällt auf, dass hier ein statischerer Aufbau gewählt wurde. Quelle: Wikimedia Commons Erstellt von: Rufus46
Heilig-Geist-Kirche, Gründung des Heilig-Geist-Spitals, Asam, 1724–1730
Heilig-Geist-Kirche, Gründung des Heilig-Geist-Spitals, Asam, 1724–1730 Cosmas Damian Asam zeigt im zentralen Deckengemälde Figuren, die in jedem Spital zu finden sind, Bedürftige, Pflegende und Unterstützer. Der an den linken Bildrand gedrängte Brezenreiter ist dagegen eine Besonderheit des Heilig-Geist-Spitals von München. Quelle: Wikimedia Commons Erstellt von: Ricardalovesmonuments

Ort

48.136380, 11.577210 (Prälat-Miller-Weg 1, 80331 München – Zugang vom Tal aus)

Metadaten

Frieder Leipold/ARCHIATER, “Die Heilig-Geist-Kirche,” MunichArtToGo, zuletzt zugegriffen am 9. Mai 2025, https://municharttogo.zikg.eu/items/show/236.