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Die Amalienstraße 66

Die Wohnsituationen des Malers Friedrich Dürck: Mieter, Bauherr, Hausbesitzer – „ein Renditehaus im mittelalterlichen Style“

22. Februar 1845: „Im Vollzuge einer höchsten Entschließung des k. Ministeriums des Inneren ... daß Seine Majestät der König, den man dem Maler Dürck allerunterthänigst vorgelegten, in Anlage zurückfolgenden Entwurf zu einem Wohngebäude in der verlängerten Amalienstraße dahier, allergnädigst zu genehmigen geruht haben, jedoch mit der allerhöchsten Bestimmung, daß der, der bestehenden Bauordnung und dem guten Geschmack wiedersprechende Erker hinweggelaßen werde.“

Zum Leidwesen des aufstrebenden Porträtmalers Friedrich Dürck (1809 Leipzig – 1884 München) wurde seine nachgeschobene Petition vom 1. März 1845 an König Ludwig I. ebenso abschlägig beschieden wie die vom 22. Februar. Der über drei Stockwerke reichende Eckerker im „altdeutschen Style“ durfte nicht gebaut werden. Dürcks Architekt, der Oberbaurat Eduard Metzger, beklagt sich darüber noch 1851 in Rombergs Zeitschrift für praktische Baukunst: „Obwohl in letzter Zeit manche Erker und Vorbauten in München ausgeführt worden sind, ... wurde [damals] dennoch dem Bauherrn die Baubewilligung nur gegen Hinweglassung des Erkers ertheilt, worauf ich erst die Umänderung beantragte, wenngleich ich vor wie nach das ursprüngliche Project für besser halte.“

Wie kam es zu diesem mittelalterschwärmerischen Vorhaben in der biedermeierlich-klassizistischen Maxvorstadt? Wagte zu dieser Zeit lediglich der als leicht verschroben geltende Ludwig Schwanthaler (1802–1848) draußen im Isartal die Burg Schwaneck in einem ähnlichen Stil zu errichten. Hätte Dürck seine Residenz „nach altdeutschen Motiven“ mit Staffelgiebel, Türmchen, Altane, Erker und Schindeldach ausführen dürfen, hätte das sicherlich ein werbewirksames Alleinstellungsmerkmal bedeutet. Zu dieser Zeit arbeitete Dürck an der Ausführung seines ersten und größten Doppelporträts in seinem Mietatelier im Odeon. Für Aloys Graf von Arco-Stepperg (1808–1891) sollte er diesen und dessen Gemahlin Irene (1811–1877) in lebensgroßen Kostümbildern für das gerade im neugotischen Stil umgestaltete Wasserschloss Anif porträtieren. Wenngleich Dürck nicht auf der Baustelle südlich von Salzburg gewesen sein dürfte, kannte er zumindest Aloys‘ romantisierende Baupläne. So weist die Säulenbasis auf dem Bild von Irene Gräfin Arco-Stepperg große Ähnlichkeit mit der Bauzeichnung der Wendeltreppe in Anif auf.

Der am Anfang stehende „gothische Styl“ vermochte sich „im Wohngebäude des Malers Dürck ... nicht zur Höhe des Zeitgeschmacks erheben“, wurde in der Zeit­schrift Über Land und Meer vermeldet. Der weitere Grund für den Bau eines großen „Renditehauses“ lag wohl schlicht darin, dass die Kinderzahl der Dürcks mittlerweile auf sechs angewachsen war. Möglicherweise wollte der Künstler auch die Dresdener Hoteliersfamilie (Hotel zur Stadt Berlin) seiner Frau beeindrucken. Es war zu dieser Zeit ungewöhnlich, dass Kunstmaler Hausbesitzer waren – im Jahr 1842 lediglich sechs Prozent. Eine gute Auftragslage ermutigte ihn, Grundstück und Hausbau mit privaten Hypotheken über 19.000 Gulden zu finanzieren.

1846 konnte die Familie Dürck von ihrer Wohnung in der Briennerstr. 13 in das Haus in der Neuen Amalienstr. 66 (später Amalienstr. 2) ziehen. Sie wohnten nicht vorne in der „Bel étage“, sondern hinten im Erdgeschoß. Die „Bel étage“ wurde an Wilhelm von Dönniges (1814–1872), dem königlichen Hofrat, Bibliothekar und engen Berater des Königs Maximilian II. vermietet. Die Dönniges unterhielten in ihrer mit grellroten Samtmöbeln, napoleonischen Kanapees und Sphinx-Uhren ausgestatteten Wohnung regelmäßige „Tee-Abende“ mit Berühmtheiten der damaligen Zeit.

Im dritten Obergeschoß war ein großzügiges Atelier eingebaut, in welchem Dürck täglich von neun bis zehn Uhr anwesend war und auch seine neuesten Porträts ausgestellt wurden. 1857 teilte er das Atelier mit dem Historienmaler Feodor Dietz (1813–1870). 1863 wurde das Haus in der Amalienstraße schließlich  verkauft. Friedrich Dürck wohnte bis zu seinem Lebensende im zweiten Stock des Hauses des Hofmalers Peter von Heß (1792–1871) in der Glückstraße 10a. Sein Biograph Hyazinth Holland notierte lakonisch: „Hausbau durch Metzger eine Quelle der Verdrießlichkeiten.“ Den Erlös von 10.000 Gulden investierte er in eine kleine Sommerfrische in Niederpöcking am Starnberger See, an welcher Dürck ein Atelier errichten ließ. Aufgrund seiner Erkrankung musste er das Anwesen an den Maler Prof. Ferdinand Keller (1842–1922) veräußern. Den beabsichtigten Umzug in die von Gabriel von Seidl erbauten Häuser in der Liebigstraße 19–21 sollte er nicht mehr erleben. Seine Witwe Laura wohnte dort mit ihrer Tochter Josephine bis 1900.

Das weitere Schicksal des „Renditehauses im mittelalterlichen Style“ sei noch kurz erzählt: Der neue Besitzer Oskar von Schanzenbach ließ das gesamte Anwesen im neobarocken Stil umbauen. Bei den schweren Luftangriffen von 1943/44 wurde das Haus schließlich in Schutt und Asche gebombt. Heute befindet sich an der Stelle der westliche Tunnelmund des Oscar-von-Miller-Ringes.

Bilder

Projektskizze für das Haus in der Amalienstraße 66, 1845.
Projektskizze für das Haus in der Amalienstraße 66, 1845. So sollte die Residenz „nach altdeutschen Motiven“ wie Staffelgiebel, Türmchen, Altane, Erker und Schindeldach aussehen. Links die Villa des Militärs und Malers Karl Wilhelm von Heideck (1788–1861), dazwischen eine Orangerie. Quelle: Stadtarchiv München Bauakte LBK 3032
Skizze der Amalienstraße 66 vom Innenhof aus gesehen, 1845.
Skizze der Amalienstraße 66 vom Innenhof aus gesehen, 1845. Schnitte und Ansicht der Hofseite des Eckhauses. In der Mitte das Atelierfenster und der überdachte Gang zum Türmchen. Quelle: Rombergs Zeitschrift für praktische Baukunst (Berlin) 1851 Nr. 11 S. 66, Tafeln 7 bis 11.
Lebensgroßes Porträt der Irene Arco-Stepperg in „mittelalterlichem Costüme“ neben einer neo-gotischen Säule, 1844.
Lebensgroßes Porträt der Irene Arco-Stepperg in „mittelalterlichem Costüme“ neben einer neo-gotischen Säule, 1844. Quelle: Sammlung Dr. Dr. Scherling Erstellt von: Friedrich Dürck
Holzschnitt aus „Der Würm-See in Oberbayern“.
Holzschnitt aus „Der Würm-See in Oberbayern“. In seiner Sommerfrische in Niederpöcking am Starnberger See ließ sich Dürck ein Atelier einrichten. Quelle: Link, A.: Der Würm-See in Oberbayern. München, 1870.
Das Eckhaus Liebigstraße-Wagmüllerstraße, um 1900.
Das Eckhaus Liebigstraße-Wagmüllerstraße, um 1900. In der Nr. 19 (links) wohnte die Witwe von Friedrich Dürck; in die Nr. 21 (Mitte) zog 1900 die Galerie Hugo Helbing (siehe Artikel „Die Galerie Hugo Helbing“ von Theresa Sepp). Quelle: Scherling, Arno: Der Maler Friedrich Dürck (1809–1884) – Biographie, Rezeption, Malweise, Kritisches Werkverzeichnis. Passau, 2023, S. 8.
Lage des Wohnhauses „Amalienstraße 2“ im heutigen Stadtplan.
Lage des Wohnhauses „Amalienstraße 2“ im heutigen Stadtplan.

Ort

Oscar-von-Miller-Ring | Das Gebäude existiert nicht mehr.

Metadaten

Arno Scherling, “Die Amalienstraße 66,” MunichArtToGo, zuletzt zugegriffen am 17. September 2025, https://municharttogo.zikg.eu/items/show/274.