Ein römischer Münzschatz aus Lochhausen
Die Kaiser als Hoffnungsträger in unsicheren Zeiten

Schätze dem Boden anzuvertrauen, in einer Zeit, in der es noch keine Banken gab, war eine gängige Methode, sein Geld sicher aufzubewahren. Aber nicht in allen Fällen handelte es sich um ein mühsam angespartes Vermögen. Frisch geprägte Münzen deuten vielmehr darauf hin, dass man sie für einen ganz bestimmten Zweck hergestellt hat. Und trotzdem ist es heute schwer, die Ursache für den Verbleib im Boden zu ergründen.
Der 26. November 1908 war zweifellos ein bedeutsamer Tag im Leben des Knechts Leonhard Heigl. Heigl stand als Stallknecht sowie Melker, der besondere Kenntnisse über Viehzucht und Molkerei „nach Schweizerart“ hatte, im Dienst des Ökonomierates Martin Heitmeier von Lochhausen. Er entdeckte beim Pflügen des sogenannten „äußeren Feldes rechts der Bezirksstraße Lochhausen – Obermenzing“ einen der größten römischen Münzschätze in Bayern. Der Heimatforscher Karl Sattler berichtet hierzu im Jahr 1931 in seinem Büchlein „Lochhausen – Langwied in der Vergangenheit und der Jetztzeit“: „Die Münzen wurden beim Pflügen ca. 10 cm tief – ohne irgend ein Gefäß eingeschlossen gewesen zu sein – auf dem Kiese gefunden.“
Ob der Münzfund in einem Keramikgefäß lag, wissen wir trotzdem nicht. Zur Zeit der Bergung hatte man es vielleicht übersehen oder die Münzen lagen in einem Beutel, der längst vergangen war.
Der Münzschatz war für die damalige Zeit allerdings so außergewöhnlich, dass Max Bernhart (1883–1952), später Direktor am Münzkabinett in München, im Jahr 1910 darüber seine Dissertation verfasste. Ihm lagen mehrere hundert römische Doppeldenare (Antoniniane) zur Bestimmung vor, die alle aus der Zeit der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. stammten.
Von den insgesamt 1675 Münzen konnte Bernhart noch 1572 nach Kaisern, Motivrückseiten und Münzstätten bestimmen, also über 93 Prozent des gesamten Fundes. Obwohl die Münzgewichte durch Bernhart nur vereinzelt erfasst wurden, wird man bei einem durchschnittlichen Stückgewicht pro Münze von etwa 3,5 Gramm von knapp sechs Kilogramm gemünztem Metall ausgehen dürfen. Die interessantesten und besterhaltenen Exemplare hat Bernhart in seiner Veröffentlichung 1911 auf zwei Lichtbildtafeln des Fundes vorgestellt.
Nach der Auswertung durch Bernhart erfolgte ein Ankauf durch die Staatliche Münzsammlung München, eine kleinere Zahl verblieb in Privatbesitz. Nach einer Überlieferung durch Karl Sattler hatte man am 6. Oktober 1930 der Schule in Lochhausen einige gut erhaltene Stücke als Anschauungsmaterial übergeben, die dort heute noch aufbewahrt werden. Ein Bombenangriff auf die Stadt München am 24./25. April 1944, der auch das Münzkabinett in der Residenz traf, hatte allerdings einen fast vollständigen Verlust des Schatzes zur Folge.
In der Archäologischen Staatssammlung befinden sich heute neun, im Besitz der Schule von Lochhausen noch fünf Exemplare. Der Rest darf für die Forschung als verloren gelten. Von den wenigen Exemplaren, die schon vorab nicht in die Staatliche Münzsammlung und die Archäologische Staatssammlung gelangt waren, ist über die in Privatbesitz verbliebenen Exemplare nichts bekannt. Angaben zu Herkunft von archäologischen Funden werden in einer Erbengeneration leider nur selten weitergegeben, so dass sich die Verknüpfung einer Münze mit einem Fundort irgendwann verliert.
Die Erstveröffentlichung des Schatzes durch Max Bernhart stellt auch heute noch eine wertvolle Schriftquelle dar, wenngleich die Münzen von ihm nicht in allen Fällen eindeutig bestimmt werden konnten. Hans-Jörg Kellner, 1960 bis 1984 Leiter der Prähistorischen Staatssammlung in München, hat dies, wo sich Unstimmigkeiten ergaben, in der Veröffentlichung „Die Fundmünzen der Römischen Zeit in Deutschland (= FMRD), Abt. 1 Band 1“ bereits 1960 angemerkt. Von Kellner stammt auch ein einzelnes, mit seiner Handschrift versehenes Datenblatt aus den späten 1950er Jahren, das in der Staatlichen Münzsammlung erhalten geblieben ist und Münzen der Kaiser Aurelianus und seiner Gemahlin Severina sowie Maximinianus Herculius zitiert.
Die ältesten Silbermünzen stammen von Kaiser Gallienus (259–268 n. Chr.), die jüngsten von Maximianus Herculius (285–288 n. Chr.). Die von Kellner erarbeitete Liste in FMRD zeigt, dass solche der Kaiser Aurelian (270–275), Probus (276–282) , Diocletian (285) und Maximianus Herculius über 90 % des Münzfundes ausmachen, wobei viele von ihnen als kaum zirkuliert oder sogar als prägefrisch bezeichnet wurden. Aufgrund der großen Zahl an Münzen aus der Münzstätte Ticinum, dem heutigen Pavia in Norditalien, scheint es sich um frisch geprägtes Geld aus der Münzstätte zu handeln, das vielleicht in Zusammenhang mit regulären Sold- oder Sonderzahlungen an einen höher gestellten Militär oder generell mit einer Auszahlung von in einem spätantiken Kastell stationierten Truppen zu sehen ist.
Die rückseitigen Bilder auf den Münzen beschwören die wichtigsten Gestalten des Götterhimmels, Iupiter, Hercules, Mars und Victoria finden sich regelmäßig auf den Münzrückseiten dargestellt.
Sowohl die Kaiserporträts, die die individuellen physischen Merkmale des Herrschers widerspiegeln, als auch die Motivrückseiten mit ihren programmatischen Umschriften sind präzise gestaltet und fehlerfrei wiedergegeben. Sie beschwören die Unverbrüchlichkeit zwischen den Kaisern und dem Heer in Wort und Bild. Dazu zählen etwa die Umschriften „Concordia Militum“ (Eintracht des Heeres), „Securitas Perpetua“ (Fortwährende Sicherheit [gegenüber Feinden des Römischen Reiches]) oder „Fides Militum“ (Treue des Heeres [gegenüber dem Kaiser]). Alle Stücke verdeutlichen eine hohe Fertigungsqualität der Prägungen in den kaiserlichen Münzstätten.
Und doch besaßen die Münzen vor allem seit der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. nur noch einen feinen Silberüberzug von wenigen Prozent und waren somit keine hochwertigen Silbermünzen mehr. Denare und Doppeldenare verloren bereits in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. laufend an Gewicht, wurden mit Bronzekernen gefüttert und manchmal auch nur aus einer zinnhaltigen Metalllegierung ausgegeben, die den Stücken lediglich einen silbrigen Schein verliehen. Somit spiegelt sich auch im Münzwesen der allmähliche Niedergang des Römischen Reiches wider, denn durch fortwährende Kriege an den Grenzen gegen Germanen und andere Völkerschaften im Osten war eine permanente Sicherung und Verteidigung durch den Einsatz von Militär erforderlich, das besoldet werden wollte. Mit dem Gebrauch der versilberten Münzen ging der dünne Überzug auf den Flächen jedoch rasch verloren und was blieb, waren nur noch Reste einer glänzenden Silberhaut. Johann Wolfgang von Goethe formulierte es in Faust I treffend: „Was glänzt, ist für den Augenblick geboren“.
Was nun den Entdecker des Schatzes Leonhard Heigl betrifft, so hatte dieser keine Nachfahren, war der Familie des Ökonomierates Heitmeier aber so verbunden und von ihr so hochgeschätzt, dass er, als er 1953 starb, im Familiengrab der Heitmeiers auf dem Lochhausener Friedhof seine letzte Ruhe finden durfte.
Ein besonderer Dank geht an Barbara Kuhn M.A. und Detlef Kohler des Vereins „Langwied-Lochhausen Historisch e.V.“ für vielfältige Auskünfte und Zugang zu Druckerzeugnissen des örtlichen Archivs. Ferner gehen ein besonderer Dank an Prof. Dr. Kay Ehling von der Staatlichen Münzsammlung München sowie Karin und Elisabeth Kellner, München.
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