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Die Brunnengruppe „Satyrherme und Knabe“

Das sogenannte „Brunnenbuberl“

Die Brunnengruppe Satyrherme und Knabe ist ein frühes Werk des Münchner Bildhauers Mathias Gasteiger (1871–1934) und markiert dessen stilistische Entwicklung hin zum Münchner Jugendstil. Sein bronzenes „Brunnenbuberl“ war schon bei seinen Zeitgenossen in aller Munde („Brunnenbuberlaffäre“). Es sorgte Ende des 19. Jahrhunderts für viele Diskussionen zwischen Münchner Moralisten und Freigeistern.

[ein] (…) altbayerisch aussehender Faun als urkomischer Wasserspeier [begießt] mit seinem Strahl einen ihm nahenden, gut studierten Jungen über und über mit Wasser (…). Das ist ganz geeignet für ein echt volkstümliches Monument!

So beschreibt Friedrich Pecht 1892 Mathias Gasteigers Brunnengruppe aus Muschelmarmor, Donaukalkstein und Bronze in der Zeitschrift „Kunst für Alle“. Und mit dieser Meinung war er nicht alleine. Das „Brunnenbuberl“ bescherte dem Münchner Bildhauer eine Auszeichnung nach der anderen. Er erhielt die Silbermedaille der Münchner Akademie, die Goldmedaille der Internationalen Kunstausstellung im Münchner Glaspalast (1892) und viele weitere Würdigungen.

Gasteigers frühe Komposition lebt von ihren vielschichtigen Bezügen. Die mythologischen Attribute des marmornen Wasserspeiers (Ziegenfell, Weinlaub, Hörner, Pferdeohren) lassen keine eindeutige Identifizierung zu. Es kann sich um Pan, Faun, Satyr oder Silen handeln. Die Beziehung des jungen Dionysos zu seinem Lehrer Silenos könnte den Künstler inspiriert haben. Kern des Werks ist jedoch etwas anderes, nämlich die künstlerische Darstellung eines kurzen Augenblicks liebevoller Narretei: Der Junge drückt mit dem Daumen den Hahn des Pfeilers zu, um die Passanten vollzuspritzen. Das erweckt den Kopf der Satyrherme zum Leben, die ihn seinerseits bespritzt, wogegen sich der ‚Lausbub‘ mit erhobenem Arm zu schützen versucht.

Die Lebendigkeit dieser Interaktion in Bronze und Stein spiegelt wider, wie geschickt und geistreich der Bildhauer das Thema Wasserspiel im Stil des Jugendstils umzusetzen wusste.

1894 schenkte Gasteiger die Arbeit seiner Geburtsstadt München und fachte damit eine hitzige Diskussion an, die als sogenannte „Brunnenbuberlaffäre“ bekannt wurde. Schon die Auswahl des Standorts gestaltete sich schwierig, da sich die Stadt scheute, die Brunnengruppe an einer allzu prominenten Stelle zu installieren. So zog das „Brunnenbuberl“ 1895 nach langem Hin und Her in die Grünanlagen des Stachus (Karlsplatz). Das Zögern der Stadt stieß jedoch bei vielen auf Unverständnis: „Die Herrn vom Marienplatz zerbrechen und straplizieren ihre schönen Köpfe darüber, was wohl mit dem Gasteigerbrunnen anzufangen sei, den ein zwar sehr talentvoller Bildhauer, aber halt noch kein Professor, der Stadt geschenkt hat. In einem Winkel hinten stehen lassen war bis jetzt das probateste Mittel (…).“ (Münchener Ratsch-Kathl, 7. Jg., Nr. 53, 03.07.1895, S. 1–2).

Obwohl die Komposition als eines „der besten Werke der modernen Bildhauerkunst“ (Die Kunst für Alle 10 [1894], Heft 1, S. 15) beschrieben wurde, erhoben sich Stimmen, die sich an dem nackten Körper störten; darunter auch Prominente, wie der damalige Polizeidirektor Ludwig von Welser oder Prinzregent Luitpold von Bayern. Letzterer soll zu einem bronzenen Feigenblatt geraten haben. Manche der einheimischen Moralapostel bedienten sich jedoch radikalerer Methoden und versuchten „der Sache“ durch Attentate Herr zu werden. Karikaturen und Postkarten der Zeit dokumentieren, wie sich das öffentliche Interesse durch die Affäre steigerte.
Andernorts erfreute sich der bronzene Junge aber solcher Beliebtheit, dass er zu ähnlichen Konzeptionen inspirierte. Schon früh begeisterten sich Städte wie Triest (1894) oder Erlangen (1906) für Gasteigers Brunnengruppe und ließen Kopien des Werks fertigen. Doch auch im ehemaligen Hotel Continental München (1910) und sogar in Amerika (1921) begeisterte das lebenslustige Wasserspiel die Menschen.

Wegen der Umbauten am Karlsplatz im Jahr 1964 musste das Original weichen und wurde an die heutige Stelle in der Münchener Fußgängerzone versetzt, wo das „Brunnenbuberl“ noch immer seinen Schabernack treibt.

Bilder

Die Brunnengruppe „Satyrherme und Knabe“ von Mathias Gasteiger in den ehemals begrünten Stachusanlagen, um 1895
Die Brunnengruppe „Satyrherme und Knabe“ von Mathias Gasteiger in den ehemals begrünten Stachusanlagen, um 1895 Die Brunnengruppe „Satyrherme und Knabe“, auch „Brunnenbuberl“ genannt, war Gasteigers erfolgreiches Abschlussprojekt an der Münchner Kunstakademie. Mit seinen gewitzten Brunnenfiguren erhielt der Bildhauer zahlreiche Preise. Als er das „Brunnenbuberl“ seiner Heimatstadt München jedoch zum Geschenk machte, war die Freude über den nackten Jüngling nicht so groß wie erhofft. Die Stadt war sich lange Zeit unsicher, wo Satyr und Nackedei ohne viel Aufhebens aufgestellt werden könnten. Wie man in der historischen Aufnahme sieht, fiel die Entscheidung auf die Stachusanlagen am Karlsplatz. Damals waren diese noch reichlich begrünt – ein passender Platz für Satyr und Knabe. Doch dürfte dies nicht der einzig ausschlaggebende Grund für den Standort gewesen sein. Wahrscheinlich ist, dass man ihn hier den Blicken der Öffentlichkeit ein wenig entziehen wollte. Doch falsch gedacht: bald darauf entbrannte aufgrund des nackten Knaben die Münchner „Brunnenbuberlaffäre“, ein Streit zwischen Münchner Moralisten und Freigeistern. Quelle: © Bayerische Schlösserverwaltung
Die Brunnengruppe in den Stachusanlagen, undatiert
Die Brunnengruppe in den Stachusanlagen, undatiert Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Photothek, ZI-0960-07-00-Th238496
„Gruß aus München!“, Postkarte, 1898
„Gruß aus München!“, Postkarte, 1898 Die „Brunnenbuberlaffäre“ war so brisant, dass sie sogar auf zeitgenössischen Postkartenmotiven zitiert wurde. Die Nudität des Jungen war Auslöser für die heftige Kontroverse. Hier trägt die nackte Bronzefigur eine Badehose, was den Disput zwischen Freigeistern und Moralisten in München eindeutig ad absurdum führte. Quelle: Stadtarchiv München, FS-PK-STB-13092
„Der Gasteiger Brunnen. I. Vor der Reklame. II. Nach der Reklame.“, Karikatur von „E. v. B.“ aus dem Jahr 1895
„Der Gasteiger Brunnen. I. Vor der Reklame. II. Nach der Reklame.“, Karikatur von „E. v. B.“ aus dem Jahr 1895 Nach langem Zögern der Stadt fand Gasteigers Brunnengruppe – ein Geschenk an München – endlich seinen ursprünglichen Platz in der Grünanlage am Stachus. Doch schon bald begann der Streit um den nackten Burschen. Für den Bildhauer lohnte sich jedoch die aktuelle Kontroverse über sein Werk. Sein Bekanntheitsgrad stieg durch die „Brunnenbuberlaffäre“ enorm. Quelle: E. v. B. (Sign.), Der Gasteiger Brunnen. I. Vor der Reklame. II. Nach der Reklame, in: Die Geißel, Nr. 38, (1895), S. 3.
Mathias Gasteigers Brunnengruppe „Satyrherme und Knabe“ am heutigen Standort in der Neuhauser Straße 20
Mathias Gasteigers Brunnengruppe „Satyrherme und Knabe“ am heutigen Standort in der Neuhauser Straße 20 Wegen der Umbauten am Karlsplatz (Stachus) im Jahr 1964 musste das „Brunnenbuberl“ aus seiner begrünten Umgebung am Stachus ausziehen. Heutzutage kann die Brunnengruppe in der Münchner Fußgängerzone bewundert werden. Quelle: © Bayerische Schlösserverwaltung Erstellt von: © Thorsten Marr, BSV
Detail des „Brunnenbuberls“ an seinem heutigen Standort an der Neuhauser Straße 20
Detail des „Brunnenbuberls“ an seinem heutigen Standort an der Neuhauser Straße 20 Quelle: © Bayerische Schlösserverwaltung Erstellt von: © Thorsten Marr, BSV
Mathias Gasteiger, Kopf des „Brunnenbuberls“, nach 1891
Mathias Gasteiger, Kopf des „Brunnenbuberls“, nach 1891 Am Gipskopf des „Brunnenbuberls“ – vermutlich eine Vorarbeit zum eigentlichen Werk – zeichnen sich die spitzbübischen Gesichtszüge des Jungen deutlich ab. Der Schalk sitzt ihm eindeutig im Nacken. Quelle: Bayerische Schlösserverwaltung, M, Inv.-Nr. Ga 221, H

Ort

Neuhauser Straße 20, 80331 München | Öffentlich zugänglich

Metadaten

Julia Bondl, “Die Brunnengruppe „Satyrherme und Knabe“,” MunichArtToGo, zuletzt zugegriffen am 21. November 2024, https://municharttogo.zikg.eu/items/show/25.