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Die alte Schack-Galerie

Wechselvolle Baugeschichte einer privaten Gemäldegalerie

In der Brienner Straße 41, unweit der Propyläen und des Lenbachhauses, wo sich heute ein studentisches Wohnheim und zahlreiche kleine Geschäfte befinden, existierte Ende des 19. Jahrhunderts eine der wenigen privaten, aber täglich für Besucher geöffneten Gemäldesammlungen in München: die des Grafen Adolf Friedrich von Schack (1815–1894).

Graf von Schack, der zuvor in Berlin im preußischen Staatsdienst tätig war und dann dem Ruf des bayerischen Königs Maximilian II. Joseph (1811–1864) nach München folgte, kaufte 1856 die Villa mit Gartenpavillon in der Brienner Str. 19 als Wohnhaus. Ein Jahr später erwarb er sein erstes Gemälde: Die Vision des Ezechiel von Bonaventura Genelli (1798–1868); bis 1861 folgten noch acht weitere Bilder, die im Wohnhaus und im Pavillon aufgehängt wurden. Als Schack 1862 weitere sieben Werke kaufte, veranlassten der Platzmangel, feuchte Wände im Pavillon sowie sein Wunsch, eine Gemäldesammlung aufzubauen, den Umbau des Gartenhauses. Dieser rechteckige, eingeschossige Bau mit einer antikisierenden Fassade, besaß eine Grundfläche von 8,90 x 5,90 Metern. Das Äußere des Gebäudes ist nur durch einen im Stadtarchiv München befindlichen Plan dokumentiert. Diese 1862 von Genelli in einem Brief an Schack bezeichnete „kleine Pinakothek“ wurde allerdings schnell zu klein. 1863 und 1864 erwarb Schack 43 Bilder, sodass ein größerer Bau notwendig wurde.

1865 entstand nach den Plänen des Architekten Heinrich von Hügel (1828–1899) ein einstöckiger Galeriebau mit neun aufeinanderfolgenden Oberlichträumen. Die klassizistische Fassade der Front wurde durch korinthische Doppelpilaster in neun vierteilige Rechtecke, die mittig mit Rosetten und Büsten geschmückt waren, gegliedert. Das nun knapp 35 Meter lange und 6 Meter breite Gebäude konnte nur durch die Verschmelzung mit dem Wohnhaus und den umstehenden Nebengebäuden realisiert werden. Bereits zu diesem Zeitpunkt wurde an zukünftige Besucher gedacht: Die Galerie konnte sowohl vom Wohnhaus als auch von Hof und Garten durch ein Vestibül betreten werden. Das Wohnhaus erhielt ebenfalls eine neue, durch den Architekten Heinrich von Hügel konzipierte Fassade, sodass ein stimmiges Gesamtbild entstand.

Bereits sechs Jahre später war auch dieser Galeriebau zu klein, denn Schack erwarb bis 1871 zusätzlich 158 Gemälde. Zudem drohte erneut hohe Luftfeuchtigkeit, die Bilder zu gefährden. Mit dem Ankauf der zwei benachbarten Grundstücke Brienner Str. 21 und 22 besaß Schack nun genug Platz, um einen Bau nach seinen Wünschen durch Lorenz Gedon (1844–1883) verwirklichen zu lassen. Dabei wurden die bereits bestehenden Gebäude miteinander verbunden und umgebaut. Durch die unterschiedlichen Höhen, Proportionen sowie gewünschten Dimensionen war dies ein komplizierter – und letztendlich teurer – Umbau, dessen Fertigstellung bis 1874 dauerte. Mittels einer gemeinsamen Fassadenfront im Neorenaissance-Stil mit zahlreichen dekorativen Elementen wurden die Häuser der Brienner Str. 19 und 22 verbunden. Das Erdgeschoss beider Anwesen diente nun als Wohn- und Arbeitsbereich. Durch einen Arkadengang seitlich des Hauses Nummer 19 gelangte man in die sogenannte „Alte Galerie“, gefolgt von einem Treppenhaus, das zu den weiteren Galerieräumen führte. Die „Neue Galerie“, ein einstöckiger Bau im maurischen Stil mit Oberlicht und neun großen Bogenfenstern, verband das Haus Nummer 22 nun mit dem rückwärtigen Haus Nummer 21. Dieses Hinterhaus wurde ebenfalls im maurischen Stil umgebaut und in die „Neue Galerie“ integriert. Besucher hatten nun die Möglichkeit, in dieser sechsteiligen AnlageWerke von vor allem Münchner Künstlern wie Arnold Böcklin (1827–1901), Anselm Feuerbach (1829–1880), Franz Lenbach (1836–1904) sowie Hans Marées (1837–1887) neben Kopien alter italienischer Meister, die größtenteils von Lenbach angefertigt wurden, zu betrachten.

Als Schack 1894 verstarb, erbte der deutsche Kaiser dessen Sammlung, mit der Bedingung, die Sammlung nicht zu trennen. Wilhelm II. (1859–1941) entschied sich, die Werke in München zu belassen und integrierte sie 1909 in den durch Max Littman (1862–1931) konzipierten Neubau an der Prinzregentenstraße, wo sich ab diesem Zeitpunkt auch die Preußische Gesandtschaft befand. Das Anwesen in der Brienner Straße wurde bis zu seiner Zerstörung durch einen Luftangriff während des Zweiten Weltkriegs unterschiedlich genutzt: Zunächst erwarb der Künstler Franz Naager (1870–1942) das Grundstück und die Gebäude, anschließend dienten Teile der Räumlichkeiten als Ausstellungsräume, als Wohnraum sowie als Atelier der Hofglasmalerei F. X. Zettler.

Bilder

Das Anwesen Schack, um 1890
Das Anwesen Schack, um 1890 Die Fassade des Schack’schen Anwesens im Neorenaissance-Stil zeigt noch deutlich die ursprüngliche architektonische Struktur der beiden Vorgängerbauten. Das Untergeschoss mit Bossenwerk und Rundbogenfenstern, die darüber führende Balustrade sowie der kleine, achteckige Turm vereinen beide Häuser. Zwar wurden die Fenster im Obergeschoss ebenfalls durch die gesprengten Giebel architektonisch angeglichen, doch fehlen beispielweise bei Haus Nr. 19 (links) die an Haus Nr. 21 (rechts) angebrachten Karyatiden und Atlanten. Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Photothek/Archiv, ZI-0937-03-01-325571
Das Anwesen Schack, um 1900
Das Anwesen Schack, um 1900 Bei dieser fotografischen Aufnahme hebt sich die Loggia mit kleinem Arkadengang bei Haus Nr. 19 deutlich von der Fassade ab. Konzipiert als architektonischer Ausgleich zum deutlich höheren Anwesen Nr. 21 diente dieser Anbau zudem als Eingangsbereich für die Besucher der Galerie. Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Photothek/Archiv, ZI-0937-03-01-325573 | © Bildarchiv Foto Marburg Erstellt von: Carl Teufel
Bogenportal mit Erker, 1885/1915
Bogenportal mit Erker, 1885/1915 Ein zentrales Verbindungselement beider Anwesen war das Portal mit Rundbogen und vergoldetem Gitter, das den Weg zum Innenhof ermöglichte. Der darüber befindliche Erker erhielt drei Fenster. In den Zonen unterhalb dieser hielten je zwei Putti die Wappen von München, Bayern und Preußen. Die Fotografie verdeutlicht anhand der Fenster die unterschiedlichen Proportionen beider Bauten. Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Photothek/Archiv, ZI-0937-03-01-325574 | © Bildarchiv Foto Marburg Erstellt von: Carl Teufel
Xylografie des Palais, 1891
Xylografie des Palais, 1891 Der Druck zeigt die Außenansicht des Palais des Grafen von Schack in der Brienner Straße 19. Quelle: Stadtarchiv München, C1891172
Fotografie Adolf Friedrich Graf von Schack (1815-1894) darstellend, 1890
Fotografie Adolf Friedrich Graf von Schack (1815-1894) darstellend, 1890 Die repräsentative fotografische Aufnahme zeigt den Schriftsteller und Kunstsammler als Ehrenbürger der Stadt München. Quelle: Stadtarchiv München, C1890047 Erstellt von: Josef Albert, München
Bonaventura Genelli, Die Vision des Ezechiel, 1857
Bonaventura Genelli, Die Vision des Ezechiel, 1857 Dieses Aquarell von Bonaventura Genelli wurde 1857, noch im Jahr seiner Fertigstellung, durch Adolf Friedrich Graf von Schack erworben. Die Sammlung Schack gehört heute zu den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Quelle: Bayerische Staatsgemäldesammlungen - Sammlung Schack München
Besuch Kaiser Wilhelms II. , 1895
Besuch Kaiser Wilhelms II. , 1895 Am 17. Juni 1895 besuchte Kaiser Wilhelm II. die Schack-Galerie, deren Sammlung ihm vermacht wurde. Im Vordergrund ist die Begrüßung der Prinzen Ludwig und Rupprecht von Bayern und Kaiser Wilhelms II. zu sehen. Quelle: Stadtarchiv München, C1895113

Ort

Brienner Straße 41, 80333 München | Nicht erhalten

Metadaten

Cosima Dollansky, “Die alte Schack-Galerie,” MunichArtToGo, accessed 20. April 2024, https://municharttogo.zikg.eu/items/show/79.