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Das Hofbräuhaus

Von der Brauerei zum historistischen Bierpalast

Die 1589 gegründete Brauerei des herzoglichen Hofs Wilhelm V. wurde im 19. Jahrhundert nach Haidhausen verlegt, um größere Räumlichkeiten für den öffentlichen Ausschank bespielen zu können. Max Littmann schuf hier mittels historistischer Stilelemente ein Bauwerk, das die Tradition des Hofbräuhauses versinnbildlichen sollte.

Um die Kosten für den Import von Bier einzusparen, gründete Herzog Wilhelm V. von Bayern 1589 für den Hof und seine Bediensteten eine eigene Brauerei. Um 1830 erteilte Ludwig I. die Genehmigung für den öffentlichen Ausschank im Brauereibetrieb des Hofbräuhauses, wofür Gaststuben und ein Wirtschaftsbetrieb eingerichtet wurden.

Das Wirtshaus erfreute sich schnell sehr großer Beliebtheit bei Einheimischen und Touristen, so dass der Brauereibetrieb ab 1882 aus Platzmangel nach Haidhausen verlegt wurde. Der große Erfolg des Wirtshauses machte recht bald aber auch deutlich, dass eine Erneuerung der baulichen Struktur unumgänglich war. Zum Problem wurden insbesondere die hygienischen Zustände, wie die Wochenzeitung „Münchener Ratsch-Kathl“ am 27. Mai 1896 berichtete: „Eine Frage, die für das Hofbräuhaus sehr wichtig ist, […] ist die Klosetfrage. Die heute noch in diesem Punkte herrschenden Zustände im alten Hofbräuhause sind nahezu beschämend“. Auf Anweisung des Prinzregenten Luitpold wurde das alte Hofbräuhaus im gleichen Jahr abgerissen, um am selben Standort einen geräumigen Neubau mit zeitgemäßer Infrastruktur für die Gäste zu schaffen.

Mit der Aufgabe, ein neues Hofbräuhaus zu errichten, wurde der Architekt Max Littmann (1862–1931) betraut. Die Herausforderung bestand darin, „dem Bau nach Außen und Innen das der Geschichte des Hofbräuhauses entsprechende Gepräge des Alten zu geben, ihm die alte Gemüthlichkeit und Traulichkeit zu erhalten und doch den Bedürfnissen der Gegenwart gerecht zu werden“ [zit. nach Kunst und Handwerk 1897, S. 392]. Littmann gelang es tatsächlich, einen Bierpalast im Stil des Historismus zu schaffen, der trotz aller technischen Modernisierung den Eindruck einer jahrhundertelangen Baugeschichte erweckte.

Dies erreichte er etwa durch die abwechslungsreiche Verwendung von Materialien an der Westfassade: Im Erdgeschoss wird die größtenteils verputzte Wand stellenweise durch Partien aus Muschelkalk unterbrochen, während er den großen dem Platzl zugewandten Erker aus Sandstein ausführen ließ. Den Eindruck eines über Jahrhunderte langsam gewachsenen Baus rief der Architekt durch den bewussten Rückgriff auf architektonische Motive aus unterschiedlichen Epochen hervor. Skizzenbücher Littmanns belegen, dass er sich bei den geschweiften Giebeln auf dem Dach von Bauten der Spätgotik inspirieren ließ, als Vorbild für den polygonalen Erker diente hingegen ein Pfarrhaus der Renaissance aus Rothenburg ob der Tauber. Gut nachvollziehbar ist diese Inszenierung auch im Innenhof: Die Arkaden im Erdgeschoss und die unregelmäßig gestaltete Fassade mit Türmchen und Erkern erinnern an „eine Burgenromantik im Stil zeitgenössischer Lohengrin-Inszenierungen“ [zit. nach Laiblin 2016, S. 56].

Vom Vorgängerbau erhalten blieben das Sud- und das Maschinenhaus im Erdgeschoss. Die zwei dreischiffigen Pfeilerhallen mit Kreuzgratgewölben wurden von Littmann in Bierhallen umfunktioniert, die bis heute als „Schwemme“ weltbekannt sind. Höhepunkt des neuen Hofbräuhauses aber war der von einem Tonnengewölbe überspannte „Große Saal“ im zweiten Stock, der heutige Festsaal. Mit der Ausschmückung der Wand- und Gewölbeflächen wurde Ferdinand Wagner (1847–1927) beauftragt, der ein reichhaltiges Bildprogramm schuf. Das Wandbild an der östlichen Stirnseite zeigte das bayerische Wappen, welches von der Fruchtbarkeitsgöttin Ceres und dem Erfinder des Bierbrauens, Gambrinus, flankiert wurde. Auf der gegenüberliegenden Wand schwebt die Figur der Patrona Bavariae über einer historischen Ansicht Münchens. Porträts bayerischer Regenten, allegorische Figuren und Straßenszenen aus Alt-München im Wechsel mit Schrifttafeln mit Hinweisen auf die Geschichte des Hauses sollten den Gästen die Tradition des Hofbräuhauses vor Augen führen.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die neugeschaffenen Säle des Hofbräuhauses auch für größere politische Versammlungen genutzt; genannt sei hier vor allem die Gründung der NSDAP im Februar 1920, in Form der Umbenennung der 1919 gegründeten DAP (Deutsche Arbeiterpartei). Aufgrund schwerer Kriegsschäden ist von der ehemals so reichen Ausstattung der Innenräume heute nichts mehr erhalten. Der Festsaal zeigt nun eine einfache Holzvertäfelung, die Gewölbemalereien der "Schwemme" wurden nur noch in reduzierter Form wiederhergestellt.

Bilder

Das neue Hofbräuhaus, 1908
Das neue Hofbräuhaus, 1908 Der Neubau wurde in den Jahren 1896/97 nach Plänen des Architekten Max Littmann errichtet. Die Ausführung der Bauarbeiten erfolgte durch die Firma Heilmann & Littmann. Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Photothek, ZI-1001-07-00-217270 Erstellt von: Neue Photographische Gesellschaft Berlin
Das alte Hofbräuhaus, 1895
Das alte Hofbräuhaus, 1895 „Aber zum längeren Verweilen luden die engen, dunkeln und schwer rein zu haltenden Räumlichkeiten in Hof und Hallen nicht gerade ein, und selbst dem Einheimischen, der sich inzwischen in den wirklichen Bierpalästen umgesehen hatte, schien allgemach das alte Hofbräuhaus der Würde des Namens nicht mehr zu entsprechen.“ [zit. nach Kunst und Handwerk 1897, S. 392]. Quelle: Stadtarchiv München, FS-NL-WEIN-0068
„Die letzte Mass im alten Hofbräuhaus“, 1897
„Die letzte Mass im alten Hofbräuhaus“, 1897 Abschied vom alten Hofbräuhaus, im Hintergrund ein Festwagen mit einer Ruine. Quelle: Stadtarchiv München, FS-NL-PETT2-1623
Hofbräuhaus, „Schwemme“, um 1900
Hofbräuhaus, „Schwemme“, um 1900 Die Bemalung der Gewölbe in der „Schwemme“ wurde Mitte der 1960er Jahre von Hermann Kaspar geschaffen. Bis heute stehen hier noch einige Tische aus der Zeit der Eröffnung des neuen Hofbräuhauses im Jahr 1897. Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Photothek, ZI-1001-07-00-217314 Erstellt von: Ferdinand Finsterlin
Der „Große Saal“ des Hofbräuhauses, 1906
Der „Große Saal“ des Hofbräuhauses, 1906 Die Postkartenillustration vermittelt einen Eindruck der aufwändigen Ausstattung des „Großen Saales“, in dem bis zu 700 Personen Platz fanden. Aufgrund der schweren Beschädigung des Hofbräuhauses im Zweiten Weltkrieg ist von den Malereien heute nichts mehr erhalten. Quelle: Martin Laiblin: Theater.Bau.Effekte! Der Architekt Max Littmann und München zur Prinzregentenzeit, Leipzig 2016, S. 55 (oben).
Speisekarte aus dem Hofbräuhaus, 20. September 1915
Speisekarte aus dem Hofbräuhaus, 20. September 1915 Die Illustration des Münchner Malers und Grafikers Ludwig von Zumbusch (1861–1927) zierte einige Jahre die Speisekarte des Hofbräuhauses. Das beliebte Motiv des mit den Gästen feiernden Münchner Kindls war auch als Postkarte im Umlauf. Quelle: Münchner Stadtbibliothek / Monacensia im Hildebrandhaus
Kellnerinnen im Hofbräuhaus, 1921
Kellnerinnen im Hofbräuhaus, 1921 „Die zwei ältesten Kellnerinnen im Hofbräuhaus, welche zusammen das stattliche Quantum von 20 Litern auf einmal zu tragen vermochten.“ [zit. nach Münchner Originale 2019, S. 97. So beschrieb Karl Valentin die Aufnahme des Fotografen Georg Pettendorfers im Rahmen eines Lichtbildvortrags. Quelle: Stadtarchiv München, FS-NL-PETT3-0116 Erstellt von: Georg Pettendorfer

Ort

Platzl 9, 80331 München | öffentlich zugänglich

Metadaten

Johannes Griebel, “Das Hofbräuhaus,” MunichArtToGo, zuletzt zugegriffen am 21. November 2024, https://municharttogo.zikg.eu/items/show/66.