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Die „Moderne Galerie“ Thannhauser

Schaufenster der internationalen Moderne in München

Die „Moderne Galerie“ von Heinrich Thannhauser war eine der ersten Galerien in München, die ausschließlich moderne Kunst ausstellte. Thannhauser gab auch jungen und unbekannten Künstlern eine Chance, indem er ihnen zu Ausstellungen verhalf und sich für den Verkauf ihrer Werke an Museen einsetzte.

Im November 1909 eröffnete Heinrich Thannhauser (1859–1934) die „Moderne Galerie“ im Arco-Palais in der Theatinerstraße 7. Das innovative Verkaufskonzept sah vor, dass die Kunstwerke wie in der Wohnung eines Kunstfreundes präsentiert wurden. Die intime Atmosphäre der Galerie beeindruckte auch die Künstler:innen – so bezeichnete Kandinsky sie als die „vielleicht schönsten Ausstellungsräume Münchens“ (zitiert nach Bilsky 2008, S. 13).

Während im dritten Obergeschoss des Gebäudes neun Galerieräume modellhaft wie Wohnbereiche eingerichtet waren, lag der größte Raum – ein Oberlichtsaal – im Erdgeschoss des Hauses. Nicht nur Architektur und Ausstattung überzeugten die Münchner Gesellschaft, sondern auch die außergewöhnlichen und aufsehenerregenden Ausstellungen, die von den italienischen Futuristen über Picasso bis zur ersten Ausstellung des Blauen Reiter reichten. Durch diese bahnbrechenden Schauen etablierte Heinrich Thannhauser die internationale Moderne in München. Neben den ausgestellten Werken zogen auch die Werbestrategien des Mäzens viele Besucher:innen an: Er erkannte, dass die breite Masse von „Sensations-Ausstellungen“ angelockt wurde. So zeigte etwa das Plakat der Max Oppenheimer-Ausstellung den Künstler nackt und mit offener Wunde, was die Polizei als „abstoßende Selbstverstümmelung“ kategorisierte und daher verbot. Diese Kontroverse bescherte der Galerie Thannhauser große Aufmerksamkeit und trug erheblich zum Ruf Münchens als "Kunststadt" bei.

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs beeinträchtigte vor allem die Ausstellungen vieler internationaler Künstler; auch Ankäufe bei französischen Kunsthändlern entfielen nun. Doch das Familienunternehmen überstand diese Krise: Neben seinem Sohn Justin nahm Heinrich Thannhauser auch seinen Neffen Siegfried Rosengart in das Unternehmen auf. Nach dem Krieg übernahm die jüngere Generation immer mehr die Geschäfte in der Galerie. 1928 verließ die Galerie Thannhauser München, um sich in der Kunstmetropole Berlin niederzulassen.

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Die „Moderne Galerie“ Thannhauser – jetzt anhören! Dauer: 3:56 Min. | Audioedition: Neda Savkovic

Bilder

Das Arco-Palais in der Theatinerstraße 7, 1912
Das Arco-Palais in der Theatinerstraße 7, 1912 In dem Gebäude Theatinerstraße Ecke Maffeistraße, das nach Plänen von Georg Meister und Oswald E. Bieber errichtet worden war, war die „Moderne Galerie“ Thannhauser bis 1928 zu finden. Quelle: Stadtarchiv München, FS-HB-XXIII-203
Lovis Corinth, Porträt des Kunsthändlers Heinrich Thannhauser, 1918 (Fort Worth, Texas, Kimbell Art Museum)
Lovis Corinth, Porträt des Kunsthändlers Heinrich Thannhauser, 1918 (Fort Worth, Texas, Kimbell Art Museum) Heinrich Thannhauser ließ sich von Künstlern wie Max Oppenheimer (1913) Max Liebermann (1916) oder Lovis Corinth (1918) porträtieren. Quelle: Wikimedia Commons
Oberlichtsaal im Erdgeschoss, 1909<br />
Oberlichtsaal im Erdgeschoss, 1909
Blick in den Oberlichtsaal der Galerie zur Eröffnungsausstellung. Quelle: Karl-Heinz Meissner: Der Handel mit Kunst in München 1500–1945, in: Rupert Walser, Bernhard Wittenbrink und Hilmar Hoffmann (Hg.): Ohne Auftrag. Zur Geschichte des Kunsthandels, München, Ausst.-Kat. Frankfurt am Main, München 1989, S. 12–103, hier: S. 46.
Katalog der „Eröffnungs-Ausstellung“, 1909
Katalog der „Eröffnungs-Ausstellung“, 1909 Der Großteil der über 200 ausgestellten Gemälde stammte von zeitgenössischen deutschen Malern. Sensationell war jedoch der (wenn auch geringere) Anteil französischer Impressionisten. Quelle: Eröffnungs-Ausstellung. November 1909, Ausst.-Kat. Moderne Galerie Heinrich Thannhauser, München 1909 (Exemplar Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Bibliothek, Kat.Ausst. München 1909/11)
Fresken in der Vorhalle von Reinhold Max Eichler, 1910
Fresken in der Vorhalle von Reinhold Max Eichler, 1910 Die Vorhalle zierten Fresken von Reinhold Max Eichler (1872–1947) mit der Darstellung der vier Jahreszeiten. Quelle: Erich Felder: Die Münchner Moderne Galerie, in: Sport & Salon, 16.04.1910, S. 13–15, hier: S. 13.
Eingerichteter „Wohnraum“ im dritten Obergeschoss
Eingerichteter „Wohnraum“ im dritten Obergeschoss Kleinere Zimmer improvisierten verschiedene Wohnsituationen. Die Ausstattung der Wohnräume und des Oberlichtsaals führte die Firma Heilmann & Littmann aus. Quelle: ZADIK, A077_X_0005
Grundriss des Erdgeschosses
Grundriss des Erdgeschosses Die Galerieräume in der Theatinerstraße 7 bestanden im Erdgeschoss aus einem großen Lichthof und einem weiteren, länglichen Ausstellungssaal. Quelle: Karl-Heinz Meissner: Der Handel mit Kunst in München 1500–1945, in: Rupert Walser, Bernhard Wittenbrink und Hilmar Hoffmann (Hg.): Ohne Auftrag. Zur Geschichte des Kunsthandels, München, Ausst.-Kat. Frankfurt am Main, München 1989, S. 12–103, hier: S. 47.
Grundriss des dritten Obergeschosses
Grundriss des dritten Obergeschosses Das dritte Stockwerk der Galerie führte Besucher durch neun kleinere Kabinette. Quelle: Karl-Heinz Meissner: Der Handel mit Kunst in München 1500–1945, in: Rupert Walser, Bernhard Wittenbrink und Hilmar Hoffmann (Hg.): Ohne Auftrag. Zur Geschichte des Kunsthandels, München, Ausst.-Kat. Frankfurt am Main, München 1989, S. 12–103, hier: S. 47.
Plakat für die Ausstellung von Max Oppenheimer, Farblithografie, 1911
Plakat für die Ausstellung von Max Oppenheimer, Farblithografie, 1911 Für seine Ausstellung in der Galerie Thannhauser entwarf Max Oppenheimer (genannt Mopp, 1885–1954) selbst das Plakat. Quelle: Emily D. Bilski: Die ‚Moderne Galerie‘ von Heinrich Thannhauser, Ausst.-Kat. Jüdisches Museum, München, München 2008, S. 15.
Katalog der ersten Ausstellung des Blauen Reiters, 1911
Katalog der ersten Ausstellung des Blauen Reiters, 1911 Die erste Ausstellung des Blauen Reiters fand vom 18. Dezember 1911 bis zum 1. Januar 1912 parallel zur dritten und letzten Ausstellung der Neuen Künstlervereinigung München in der "Modernen Galerie" Thannhauser statt. Gezeigt wurden 43 Werke, darunter Arbeiten von Wassily Kandinsky, Franz Marc, Gabriele Münter, August Macke, Albert Bloch, David und Wladimir Burljuk, Heinrich Campendonk, Robert Delaunay, Elisabeth Epstein, Eugen von Kahler, Bloé Niestlé, Henri Rousseau und Arnold Schönberg. Quelle: Wassily Kandinsky und Franz Marc (Hg.): Die erste Ausstellung der Redaktion "Der Blaue Reiter", Ausst.-Kat. Galerie Thannhauser, München, München 1911 (Exemplar Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Bibliothek, Kat.Ausst. München 1911/12 a R).
Austellung von Aquarellen der Münchener Neuen Secession in der Galerie Thannhauser, 1920
Austellung von Aquarellen der Münchener Neuen Secession in der Galerie Thannhauser, 1920 In der Ausstellung im Frühjahr 1920 zeigte die "Moderne Galerie" 202 Aquarelle unter anderem von Dora Bromberger, Paula Fritsch, Paul Klee, Emmy Klinker, Alfred Kubin, Hugo Troendle und Max Unold. Quelle: Münchener Neue Secession: Aquarell-Ausstellung der Münchener Neuen Secession, Ausst.-Kat. Galerie Thannhauser, München, München 1920 (Exemplar Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Bibliothek, Kat.Ausst. München Neue Secession 1920/a R).
Wassily Kandinsky, Plakat für die erste Ausstellung der Neuen Künstlervereinigung München, Farblithografie, 1909
Wassily Kandinsky, Plakat für die erste Ausstellung der Neuen Künstlervereinigung München, Farblithografie, 1909 Die "Moderne Galerie" zeigte die erste Schau von Arbeiten der Neuen Künstlervereinigung München vom 1. bis 15. Dezember 1909 in ihren Räumen. Kandinsky selbst war unter den ersten Mitgliedern dieses Zusammenschlusses. Quelle: Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, G 14252.

Ort

Theatinerstraße 7, 80333 München | Privatbesitz

Metadaten

Konstanze Schnelzer, “Die „Moderne Galerie“ Thannhauser,” MunichArtToGo, zuletzt zugegriffen am 21. November 2024, https://municharttogo.zikg.eu/items/show/33.