Das Modehaus Bamberger & Hertz in der Kaufinger Straße
Herrenbekleidung im Schatten des ehemaligen Schönen Turms

Der heutige Herrenausstatter Hirmer ist die einzige noch bestehende Filiale des früher deutschlandweit erfolgreichen Herrenausstatters Bamberger & Hertz, der schon früh das Kino für Reklame zu nutzen wusste und an seiner Hausfassade auf eine alte Münchner Geschichte verwies.
1914 eröffnete das Textilhandelsunternehmen Bamberger & Hertz in einem neu errichten Gebäude in der Münchner Kaufinger Straße 22 (heute 28) eine Filiale. Nach Frankfurt am Main (1904), Stuttgart (1910), Leipzig (1911) und Saarbrücken (1912) war das Münchner Haus die fünfte Niederlassung des rasch expandierenden, deutschlandweit in der Herrenmode führenden Unternehmens. 14 Jahre später kam eine weitere Filiale in Köln dazu.
Auffällig am Gebäude ist der aus der Fassade herausragende Turm zur Ecke Kaufinger-/ Augustinerstraße. Er erinnert an den „Schönen“ beziehungsweise Kaufinger Turm, der an dieser Stelle als Teil der zweiten mittelalterlichen Stadtbefestigung von 1479–1807 stand. Farblich abgesetzte Bodenplatten vor dem Haupteingang des Geschäftshauses erinnern heute an den früheren Standort des Turms, um den sich die Legende eines zu Unrecht hingerichteten Goldschmieds rankt. Eine Tafel an der Fassade erzählt die Geschichte.
Der Geschäftsführer des Bekleidungshauses, Fritz (Siegfried) Bamberger (1885–1976), war das siebte Kind des aus Worms stammenden jüdischen Konfektionswarenhändlers Jacob Bamberger (1849–1918), der dort seit 1876 zusammen mit seinem Schwager Karl Hertz ein Textilgeschäft betrieb. Nach einer kaufmännischen Ausbildung und Stationen in Brüssel und New York trat Fritz 1909 in das väterliche Unternehmen ein und übernahm 1914 mit seinem Bruder Heinrich die neu eröffnete Münchner Niederlassung.
Der wirtschaftliche Erfolg des auf Herrenmode spezialisierten Konfektionshauses wurde deutschlandweit durch aufsehenerregende Werbeaktionen gestützt, die für damalige Zeiten völlig neue Wege beschritten. So schaltete man früh „Reklame“ im Kino, gestaltete auffällige Plakate für die Außenwerbung und bot ab 1931 mit „Der freundliche Herr. Die zuverlässige Zeitschrift der Bamberger & Hertz-Buben“ ein kostenloses Kundenmagazin an, das sich mit unterhaltsamen Beiträgen, Rätseln, Spielen und Bastelanleitungen an die Kundschaft von morgen richtete.
Die Boykottaktion der Nationalsozialisten am 1. April 1933 gegen jüdische Warenhäuser, Geschäfte, Arztpraxen und Kanzleien traf die Filialen von Bamberger & Hertz hart. Danach mehrten sich massive, gewalttätige Übergriffe gegen Kunden, Mitarbeiter wie auch die Ladenlokale. Das Unternehmen wurde an der Fortführung seiner innovativen Werbemaßnahmen gehindert. Ein herber Umsatzeinbruch war die Folge. Fritz Bambergers Versuch, die Filialen gesammelt zu verkaufen, misslang. Also musste er das Unternehmen zerschlagen, teilweise Filialen schließen (Saarbrücken 1934) oder einzeln verkaufen (Frankfurt 1935, Köln im Sommer 1938). Die Filiale in Leipzig brannte in der Reichspogromnacht 1938 vollständig aus.
Für die Münchner Niederlassung gelang Fritz Bamberger noch im Herbst 1938 der Verkauf an Hans Hirmer (1897–1980), der seit 1915 zunächst als Lehrling, später als leitender Angestellter und Prokurist im Haus tätig war. Gemeinsam mit zwei weiteren Geldgebern gründete er am 5. November 1938 die „Hirmer & Co. KG“. Zugleich wurde mündlich vereinbart, dass die Familie Bamberger inoffiziell beteiligt blieb, da die Übergabe nach Vorgaben der NS-Behörden weit unter Wert abgewickelt wurde. Durch die so erfolgte „Arisierung“ blieb das Geschäft von der Reichspogromnacht 9./10. November 1938 verschont, dennoch wurde Fritz Bamberger wie viele andere jüdische Unternehmer nach Dachau verschleppt und erst nach der schriftlichen Zusage, das Land zu verlassen, im Dezember 1938 wieder entlassen. Im März 1939 gelang ihm zusammen mit seiner Ehefrau die Emigration nach England. Ihre beiden Kinder hatten sie bereits im Herbst 1938 vorausgeschickt. Im Frühjahr 1940 siedelte die Familie in die USA über.
Fritz´ Sohn Hans Bamberger nahm nach Kriegsende 1945 Kontakt zu Hans Hirmer auf, um die Fortführung des Unternehmens wie 1938 mündlich vereinbart zu regeln. Die Familie Bamberger wurde wieder offiziell Teilhaber. Nachdem man sich nicht über die weitere Geschäftsstrategie einigen konnte, zahlte Hans Hirmer 1951 die in den USA gebliebene Familie Bamberger komplett aus. Fortan war er alleiniger Inhaber. Die Familien legen Wert darauf, hervorzuheben, dass sie bis heute freundschaftlich verbunden sind.
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