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Der Friedensengel

Ein geflügeltes Wort für ein Denkmal des Friedens

Die Münchnerinnen und Münchner nennen ihn liebevoll „Friedensengel“. Gemeint ist damit allerdings kein Engel im herkömmlichen Sinne, sondern der vergoldete und geflügelte Friedensgenius, der hoch oben auf einer Säule über die Prinzregentenstraße in Bogenhausen wacht. Oftmals wird die Bezeichnung auch für das gesamte Denkmal verwendet, das in eine weitläufige, historistische Anlage auf der Prinzregent-Luitpold-Terrasse zwischen der Luitpoldbrücke und dem Europaplatz eingebettet ist.

Von der Luitpoldbrücke kommend ist die Anlage als Blickfang mittig gesetzt. Die Prinzregentenstraße teilt sich, führt seitlich an der Terrasse vorbei und fließt erst östlich vom Friedensengel wieder zusammen. In der Mitte des vorgesetzten Platzes befindet sich ein Springbrunnen in dessen Rücken eine Rustikawand mit drei Nischen liegt, wovon die mittlere durch ihre Größe und grottenartige Gestaltung hervorgehoben ist. Seitlich davon ist die Terrasse, und damit das Friedensdenkmal, durch eine doppelläufige Freitreppe zu erreichen.

Nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 sollte ein Denkmal zur Feier des anschließenden Friedens errichtet werden. Es wurde ein Wettbewerb für Münchner Künstler ausgeschrieben, den die Bildhauer Heinrich Düll, Georg Pezold und Max Heilmaier in Zusammenarbeit gewannen. Die Grundsteinlegung wurde am 10. Mai 1896 vom Prinzregenten Luitpold persönlich vorgenommen.

Das Denkmal ist einschließlich der Säule und der Figur 38 m hoch – wovon der „Engel“ selbst 6 m einnimmt – und erinnert in einigen Details an antike Vorbilder. Der Unterbau ist über zwei Treppenzugänge auf der Nord- und Südseite zu erreichen. Vier Eckpfeiler und je zwei Karyatiden dazwischen tragen das Gebälk des Tempelbaus. Sowohl durch die Karyatiden als auch durch die Kassettendecke, hier bemalt mit goldenen Sonnen auf blauem Grund, erinnert der Bau an die Korenhalle des berühmten Erechtheions auf der Athener Akropolis. Im Zentrum des Baus befindet sich ein quadratischer Block, der als Stütze für die darüber emporsteigende Säule fungiert. Er ist an allen Seiten mit Mosaiken im frühen Jugendstil geschmückt. Sie zeigen Sinnbilder des Krieges, des Sieges, des Friedens sowie des Wohlstands auf goldenem Grund.

Die Eckpfeiler tragen nach Osten Medaillons mit Portraits der am Krieg beteiligten Feldherren Helmuth von Moltke, Ludwig von der Tann und Jakob von Hartmann, einem Bildnis Otto von Bismarcks sowie des bayerischen Kriegsministers Siegmund von Pranckh und des preußischen Kriegsministers Albrecht von Roon – außer letzterem finden sich alle ebenfalls in Münchner Straßennamen wieder. Nach Westen blicken die Portraits der Kaiser Wilhelm I., Friedrich III. und Wilhelm II. sowie die Könige Ludwig II., Otto und der Prinzregent. Die weiteren Seiten der Pfeiler zeigen Darstellungen der zwölf Heldentaten des Herakles und rezipieren damit erneut die Antike. Anstelle der zehnten Tat des griechischen Helden, dem Raub der Rinderherde des Riesen Geryon, wurde am südöstlichen Pfeiler Herakles‘ Kampf mit dem Riesen Antaios dargestellt. Diesen konnte Herakles nur besiegen, indem er ihn anhob und damit die Energiezufuhr durch dessen Mutter Gaia, der Erde, kappte. Man kann vermuten, dass die Darstellung eines Sieges über einen als stärker erachteten Gegner als passender angesehen wurde als die Wiedergabe eines Raubes. Das Dach ist mit Rosetten, Palmetten und Löwenköpfen geschmückt und steinerne Kriegstrophäen wie Rüstungen, Schilde und Schwerter zieren seine Ecken.

Die darauf platzierte kannelierte Säule mit gegossenem Kapitell im korinthischen Stil trägt den namensgebenden Friedensengel. Dieser erinnert in seiner Ausgestaltung an antike Darstellungen der griechischen Siegesgöttin Nike, wie die Nike des Paionios. Diese wurde 1875 in Olympia entdeckt und erfreute sich noch zum Bau des Friedensengels großer Beliebtheit. Auch andere antike Statuetten zeigen die geflügelte Nike im Landeanflug mit wehendem Gewand und vorgestreckter Hand. Der Münchner Friedensengel hält in dieser einen Ölzweig als Zeichen für den Frieden und in der linken ein Palladion, ein Abbild der Athene, der griechischen Göttin für Kampfkunst und Weisheit. Genauer handelt es sich dabei um eine verkleinerte Nachbildung im Typus der Athena Parthenos, der kolossalen Kultstatue des Phidias aus dem Parthenon in Athen. Zahlreiche Motive und Darstellungen am Münchner Friedensdenkmal entstammen der antiken Bildwelt rund um Krieg und besonders die nachfolgende, blühende Zeit des Friedens und des Wohlstands. Die Anlehnung an die Antike entspricht dem Zeitgeschmack des Historismus und das gewählte Bildprogramm verbildlicht die friedvolle Zeit im Reich nach dem kriegerischen Sieg 1871.

Der Friedensengel ist aus dem Münchner Stadtbild nicht wegzudenken und bei Münchnerinnen und Münchnern allgemein bekannt. Er ist Orientierungs- und Aussichtspunkt zugleich. Dabei ist das Monument nicht nur schön anzusehen, sondern steht auch für Positivität und Frieden.

Bilder

Historische Aufnahme des Friedensdenkmals auf der Luitpoldterrasse mit dem vorgesetzten Springbrunnen, 1940
Historische Aufnahme des Friedensdenkmals auf der Luitpoldterrasse mit dem vorgesetzten Springbrunnen, 1940 Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Photothek, ZI-0948-03-00-325698 / © Bildarchiv Foto Marburg
Das Titelblatt der Zeitung „Neues Münchener Tagblatt“ vom 24. April 1896
Das Titelblatt der Zeitung „Neues Münchener Tagblatt“ vom 24. April 1896 Die Illustration zeigt alle preisgekrönten Modelle des Wettbewerbs. Mittig der Entwurf der Bildhauer Düll, Petzold, Heilmaier, der mit wenigen Abänderungen umgesetzt wurde. Quelle: Birgit-Verena Karnapp: Der Friedensengel in München, in: Jahrbuch der Bayerischen Denkmalpflege 36 (1982), S. 286.
Historische Aufnahme der Korenhalle des Friedensdenkmals
Historische Aufnahme der Korenhalle des Friedensdenkmals Neben den Karyatiden sind hier die Medaillons an den Eckpfeilern gut zu erkennen, die wichtigen Persönlichkeiten während dem Deutsch-Französischen Krieg zeigen. Auf dem Dach des Tempelbaus sind aus Stein gefertigte Kriegsattribute angebracht und das Innere des Baus ist mit Mosaiken im frühen Jugendstil geschmückt. Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Photothek, ZI-0948-03-00-450541 Erstellt von: A. F. Kersting
Das Mosaik an der Nordwand
Das Mosaik an der Nordwand Das Bild zeigt zwei Krieger im Kampf und steht für den überstandenen Deutsch-Französischen Krieg. Die Schlangen in den oberen Zwickeln setzen zum Todesbiss an. Erstellt von: Vanessa Heiduck
Das Mosaik an der Südwand verbildlicht den Sieg
Das Mosaik an der Südwand verbildlicht den Sieg Die griechische Siegesgöttin Nike bekränzt einen siegreichen Krieger. Im Ornament darunter ist der königliche Löwe zu sehen, der für den Anteil Bayerns am Sieg über Frankreich steht. Erstellt von: Vanessa Heiduck
Die Westseite ist mit einem Mosaik für den Frieden geschmückt
Die Westseite ist mit einem Mosaik für den Frieden geschmückt Eine sitzende Frauenfigur im antiken Gewand hält einen Lorbeerkranz und einen Palmzweig, Siegespreise der Antike, in den Händen. Neben ihr ist ein Bildhauer zu sehen, der ein Bildnis der Göttin Athene aus Stein fertigt, sowie die der Athene zugehörige Eule und ein Denker. Kunst und Kultur, Philosophie und Wissenschaft blühen unter dem Schutzmantel des Friedens. Erstellt von: Vanessa Heiduck
Das Mosaik an der Ostseite zeigt die Allegorie des Wohlstands
Das Mosaik an der Ostseite zeigt die Allegorie des Wohlstands Erneut sitzt eine Frauenfigur in der Mitte. Sie hält eine Fackel und Ähren in den Händen. Zu ihren Seiten sind zwei Schmiede bei der Arbeit sowie ein Ackerbauer beim Pflügen dargestellt. Die Schiffe und Füllhörner verweisen auf den Reichtum, die Fülle und den Handel hin. Erstellt von: Vanessa Heiduck
Nahaufnahme der Medaillons mit den Taten des Herakles am südöstlichen Eckpfeiler
Nahaufnahme der Medaillons mit den Taten des Herakles am südöstlichen Eckpfeiler Das obere Medaillon zeigt anstelle des Raubes der Rinderherde des Riesen Geryon den Kampf des Herakles mit dem Riesen Antaios. Der griechische Heros hebt seinen Gegner hoch und unterbricht damit seine Energiezufuhr durch dessen Mutter Gaia, die Erde. Ein Sieg durch Strategie über einen augenscheinlich stärkeren Feind. Erstellt von: Vanessa Heiduck
Für gewöhnlich sieht man den Friedensengel nicht so nah
Für gewöhnlich sieht man den Friedensengel nicht so nah Der vergoldete Friedensengel nach einer Restaurierung 1983. In der linken Hand trägt er das Palladion, ein Abbild der Göttin Athene, und in der vorgestreckten rechten den Ölzweig. Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Photothek, ZI-0948-03-00-398992-1 Erstellt von: Hans Lehmbruch
Detailansicht des Friedensengels, 1983
Detailansicht des Friedensengels, 1983 Grazil spreizt er den kleinen Finger der rechten Hand ab, das Gewand am Oberkörper scheint im Flug nach hinten zu wehen. Die Haare sind zu einer Art Schleife auf dem Kopf zusammengebunden – eine Frisur, die antike Skulpturen unter anderem der Aphrodite ebenfalls aufweisen. Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Photothek, ZI-0948-03-00-398991-1 Erstellt von: Hans Lehmbruch
Historische Aufnahme des alltäglichen Treibens am Friedensengel von der Luitpoldbrücke aus, um 1935
Historische Aufnahme des alltäglichen Treibens am Friedensengel von der Luitpoldbrücke aus, um 1935 Ein Künstler mit Leinwand steht auf der Brücke und blickt auf das Denkmal, ein Passant überquert die Straße, und Frauen und Männer verweilen an der Brüstung auf der Luitpoldterrasse. Der Friedensengel ist als Teil des Stadtbildes im Leben der Bevölkerung integriert. Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Photothek, ZI-0948-03-00-375336 Erstellt von: Günther Schmidt
Enttarnung des Friedensengels nach dem Zweiten Weltkrieg
Enttarnung des Friedensengels nach dem Zweiten Weltkrieg Zum Schutz vor Luftangriffen wurde das Denkmal während des Zweiten Weltkriegs getarnt. Fast symbolträchtig wird der Friedensengel nach dem Krieg wieder freigelegt. Quelle: Friedensengel. Bausteine zum Verständnis eines Denkmals der Prinzregentenzeit, Kat. Ausst. Münchner Stadtmuseum 1999/2000, München 1999, S. 13.

Ort

Prinzregentenstraße, 81675 München | öffentlich zugänglich

Metadaten

Vanessa Heiduck, “Der Friedensengel,” MunichArtToGo, zuletzt zugegriffen am 8. November 2024, https://municharttogo.zikg.eu/items/show/184.