Eingeordnet unter Jugendstil

Das Schwabinger Schattenspiel-Theater auf der Theresienhöhe

Schattenspiele im Vergnügungspark – einfach Vergnügen

Das Gebäude des Schwabinger Schattenspiel-Theaters auf der Theresienhöhe 4a wurde von dem städtischen Architekten Fritz Klee entworfen und wie alle Bauten des Vergnügungsparks auf der Südseite des Bavariaparks für die Ausstellung „München 1908 situiert. Der schlichte, weiße Bau orientierte sich im Grundriss am Schwabinger Vorbild der Schattenspiele in der Ainmillerstraße 32. Die Besuchenden erkannten das Gebäude an seinem markanten Schriftzug, der Narrenmaske als Signet über dem Eingang sowie an einem umlaufenden Silhouettenfries des Figurenschneiders Rolf von Hoerschelmann. Unterhalb der Traufhöhe angebracht, sprang die Parade der Schattenfiguren unmittelbar ins Auge und verwies auf die spezifische Nutzung des Theaterbaus. Ein gesprengtes Mansardwalmdach mit einer blauer Oberfläche und niedrigem Turmaufsatz betonte die Mittelachse. Die Besucherströme wurden in ein großes, ornamental eingefasstes Rundportal gelenkt.

Das Schattentheater war ein viel beachtetes poetisches Phänomen der Theaterwelt seiner Zeit. Neben Rolf von Hoerschelmann fallen Figurenschneiderinnen wie Dora Polster oder Doris Wimmer auf, die seit der Premiere des Schwabinger Hauses im Jahr 1907 die Ästhetik der träumerischen Inszenierungen bestimmt hatten. In der Wintersaison gab es die von Gründer Alexander von Bernus erwünschten künstlerischen Interpretationen am Schwabinger Standort im sogenannten Rezitationsstil. Dieser lehnte laut Presse an den Stil des Stefan-George-Kreises an. Hoerschelmann schrieb, manches Stück sei „sehr hübsch, graziös und unanständig!“.

Der Ortswechsel in den Ausstellungspark schuf für die freie Vereinigung einen neuen Rahmen, wenn auch unter derselben Leitung: Sowohl die Einbettung in das vielfältige Unterhaltungsangebot auf der Theresienhöhe als auch die inhaltliche Programmänderung führten zu einem unerwartet hohen Publikumszulauf gegenüber dem Schwabinger Standort. Nun dominierte das Kasperlspiel im Scherenschnitt, nach Graf Pocci, für Kinder wie auch für Erwachsene.

In einer Reihe mit Paul Brann’s Marionetten-Theater Münchner Künstler, dem Kinematographen-Theater von Wilhelm Sensburg, einer Rodelbahn, einer mechanischen Rennbahn und Tennisplätzen gelegen, ging es in diesem Areal zur Südseite des Bavariaparks um ein niederschwelligeres Angebot im Gegensatz zu den Ausstellungshallen der Gewerbeschau im Nordteil des Ausstellungsparks. Mit dem neuen Programm steigerten sich die Auslastungszahlen der Schwabinger Schattenspiele in der Spielzeit 1908 vom 16. Mai bis zum 18. Oktober auf erstaunliche 434 Aufführungen an 116 Tagen. Das bedeutete, dass bis zu vier Vorstellungen täglich gespielt wurden.

Die neue Spielstätte bot Platz für rund 120 Zuschauer, die in einem 14 Meter langen Zuschauerraum auf eine Leinwand mit einer Größe von nur einem auf zwei Metern blickten, um den beweglichen, im Detail fragil geschnittenen, zweidimensionalen Schattenrissen zu folgen. Die Betreiber setzten sich sogar gegen feuerpolizeiliche Auflagen durch, so dass eine Petroleumbeleuchtung zur Durchführung des Schattenspiels eingesetzt werden durfte. Begründet wurde dies mit ihrer künstlerischen Notwendigkeit. Wer hier agierte, bleibt ungewiss: Sprecherinnen und Sprecher sowie die Figurenspielenden sind bis heute kaum zu identifizieren. Sie verschwanden hinter der Attraktion der Schattenwand.

Da Alexander von Bernus bereits im Jahr 1910 sein Schattentheater nach Heidelberg verlagerte, war dieser Theaterform in München eine verhältnismäßig kurze Blüte beschert.

Bilder

Die Schwabinger Schattenspiele, 1908
Die Schwabinger Schattenspiele, 1908 Zu sehen sind die Schwabinger Schattenspiele links unten im Bild, neben der Teestube und Paul Branns Marionettentheater. Collage des Münchner Stadtmuseums unter Verwendung einer Fotografie des Stadtarchivs München (FS-AB-STB-040-02) und des Friesmotivs, entworfen von Rolf von Hoerschelmann, das unter dem Dach um das Gebäude läuft. Quelle: Münchner Stadtmuseum
Amtliche Ausstellungs-Postkarte der Schwabinger Schattenspiele für die Ausstellung "München 1908"
Amtliche Ausstellungs-Postkarte der Schwabinger Schattenspiele für die Ausstellung "München 1908" Quelle: Sammlung Martin Laiblin
Fassadenentwurf und Rückansicht der Schwabinger Schattenspiele von Fritz Klee und Otto Geißer
Fassadenentwurf und Rückansicht der Schwabinger Schattenspiele von Fritz Klee und Otto Geißer Quelle: Stadtarchiv München, LBK-09775-9-005
Grundriss und Sitzplan der Schwabinger Schattenspiele im Ausstellungspark, 1908
Grundriss und Sitzplan der Schwabinger Schattenspiele im Ausstellungspark, 1908 Quelle: Stadtarchiv München, LBK-09775-9-001

Ort

Theresienhöhe 4a, 80339 München | der ehemalige Ort liegt am Beginn der Südostseite des Bavariaparks, Zugang vom Oda-Schaefer-Weg

Metadaten

Petra Kraus, “Das Schwabinger Schattenspiel-Theater auf der Theresienhöhe,” MunichArtToGo, zuletzt zugegriffen am 21. November 2024, https://municharttogo.zikg.eu/items/show/179.