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Die Stolpersteine beim Ägyptischen Museum

Gedenken und erinnern

Insgesamt zehn Stolpersteine wurden bisher auf dem Gelände des Staatlichen Museums Ägyptischer Kunst verlegt und erinnern an die vertriebenen und entrechteten jüdischen Bewohnerinnen und Bewohner der Häuser Arcisstraße 28 und 32.

Dort, wo sich heute das Gebäude der Hochschule für Fernsehen und Film und des Ägyptischen Museums erhebt, standen ursprünglich Bürgerhäuser, die Anfang 1934 von der NSDAP enteignet wurden. Auf dem Gelände Arcis-/Gabelsbergerstraße sollte ein großes Kanzleigebäude entstehen.

Das Haus mit der Nummer 32 gehörte ursprünglich dem Ehepaar Isaak und Maria Drey, bevor es in den Besitz der Tochter Laura (geb. 1871) überging. Laura war verheiratet mit dem promovierten Chemiker Dr. Paul Dobriner (geb. 1863), der die letzten Jahre seines Lebens in Heil- und Kuranstalten verbrachte, bevor er 1933 verstarb. Laura Dobriner bewohnte das Haus mit ihren Kindern Konrad (geb. 1902) und Georg Hermann (geb. 1903), sowie ihrer Schwester Henriette Drey (geb. 1873).
Nach der Vertreibung musste Laura Dobriner mehrfach umziehen, bevor sie ins Lager Milbertshofen zwangsumgesiedelt wurde. Von dort deportierte man sie am 1. Juli 1942 nach Theresienstadt, wo sie am 7. Juli ermordet wurde. Ihre beiden Söhne emigrierten 1933/34 in die USA.
Henriette Drey wurde am 25. Juni 1942 nach Theresienstadt deportiert und am 30. September im Vernichtungslager Treblinka ermordet.

Markus Cohen (geb. 1861) und seine Frau Rosa (geb. 1875) lebten mit ihrem Sohn Heinrich seit 1927 in einer eigenen Wohnung in der Arcisstraße 32. Nach der Vertreibung zogen sie in die Georgenstraße, wo Markus Cohen 1937 verstarb. Heinrich Cohen emigrierte 1936 in die USA, Rosa Cohen und die Tochter Leonore (wohnhaft in Nürnberg) emigrierten 1939 nach England.

Im Haus Nummer 28 wohnten Dr. phil. Ernst Darmstaedter (geb. 1877), der wie Paul Dobriner als Chemiker tätig war. Nach seiner Vertreibung aus der Arcisstraße zog Ernst Darmstaedter nach Stockdorf und nahm sich nach der Reichsprogromnacht am 13. November 1938 das Leben.
Ebenfalls wohnte dort der Hutfabrikant Fritz Heinrich Hermann. Er und seine Frau wurden am 20. November 1941 bei der großen ersten Deportation von München nach Kaunas in Litauen verschleppt und am 25. November erschossen, gemeinsam mit weiteren knapp 1000 Münchner Jüdinnen und Juden.
Adolf Kaufmann (geb. 1883) bewohnte das Haus Nummer 28 bereits seit 1912. Er war Aufsichtsratsvorsitzender der Münchner Theatergesellschaft, Mitgründer der Kammerspiele, zweiter Direktor und einer der Anwälte des Theaters. Zudem war er Direktor des Volkstheaters. 1933 emigrierte er nach Österreich und starb noch im selben Jahr in Wien.

Die auf dem Gelände geplante Parteikanzlei sollte aus mehreren Trakten bestehen: An der Gabelsbergerstraße sollte ein fünfstöckiger Bau von insgesamt 180 Metern Länge entstehen, verbunden mit dem Führerbau, und eine Gaststätte, Repräsentationsräume und darüber hinaus Büroräume beherbergen. Die Planungen für diesen Komplex lagen beim Architekturbüro Ludwig Troost. Baubeginn war 1938, aber der Zweite Weltkrieg stoppte die Pläne. Es wurden nur die unterirdischen Bunkeranlagen mit teils meterdicken Stahlbetondecken und –wänden fertiggestellt.

Mit dem Bau der TU-Gebäude 1965–1970 griff man die Bunker nicht an, erst als diese ab 2005 abgerissen wurden, ging es in die Tiefe. Ab 2007 wurden die Stahlbetonwände aufwendig freigelegt und teils gesprengt, so dass hier die geplanten unterirdischen Ausstellungsräume des Staatlichen Museums Ägyptischer Kunst errichtet werden konnten.

Seit Oktober 2020 erinnern Stolpersteine auf dem Gelände an Laura, Konrad und Georg Hermann Dobriner, an Henriette Drey, Ernst Darmstaedter und Fritz Heinrich Hermann. Im Januar 2023 wurden vier weitere Steine für Markus, Rosa und Heinrich Cohen sowie Adolf Kaufmann ergänzt.

Bilder

Die Stolpersteine vor dem Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst, 2023
Die Stolpersteine vor dem Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst, 2023 Die Stolpersteine wurden auf der Rasenfläche neben dem Weg, der von der Arcisstraße zum Eingang der Museumsverwaltung führt, eingelassen. Sie erinnern an Laura, Konrad und Georg Hermann Dobriner, an Henriette Drey, Ernst Darmstaedter, Fritz Heinrich Hermann, Markus, Rosa und Heinrich Cohen sowie Adolf Kaufmann. Erstellt von: Roxane Bicker
Arcisstraße 30 und 32, 1912
Arcisstraße 30 und 32, 1912 Die Aufnahme zeigt die Ostseite der Arcisstraße zwischen Brienner- und Gabelsbergerstraße, im Hintergrund die alte Pinakothek. Quelle: Stadtarchiv München, FS-NL-PETT1-0243
Abbruch der TU-Gebäude, 2007
Abbruch der TU-Gebäude, 2007 Ab 2005 wurden die bis in die 1990er Jahre genutzten Universitätsgebäude abgebrissen, um Platz für den Neubau der Hochschule für Fernsehen und Film und das SMÄK zu schaffen. Quelle: Staatliches Museum Ägyptischer Kunst Erstellt von: Patrick Brose
Abbruch der Bunkeranlagen, 2007
Abbruch der Bunkeranlagen, 2007 Danach wurden die unterirdischen Bunkeranlagen der nie fertiggestellten Parteizentrale freigelegt. Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Photothek/Archiv, o. Inv.-Nr. Erstellt von: Margrit Behrens
Abbruch der Bunkeranlagen, 2007
Abbruch der Bunkeranlagen, 2007 Für die Entfernung der meterdicken Stahlbetonwände und -decken waren zahlreiche Sprengungen notwendig. Quelle: Staatliches Museum Ägyptischer Kunst Erstellt von: Patrick Brose

Ort

Gabelsbergerstraße 35, 80333 München

Metadaten

Roxane Bicker, “Die Stolpersteine beim Ägyptischen Museum,” MunichArtToGo, zuletzt zugegriffen am 21. November 2024, https://municharttogo.zikg.eu/items/show/164.