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Ein Schatz im Luitpoldpark

Eine vergessene Kiesgrube und ihr prähistorischer Schatz

Ein überraschender Fund, dessen Interpretation die Forschung bis heute beschäftigt und der entweder einen faszinierenden Einblick in den Handel und Transport von Waren oder die religiöse Vorstellung der bronzezeitlichen Menschen im heutigen Südbayern bietet.

Ist es vorstellbar, dass sich im Luitpoldpark in Schwabing vor gar nicht allzu langer Zeit eine große städtische Kiesgrube befand? Heute ist von der Abraumhalde nichts mehr zu erahnen und doch war hier der Fundort eines bedeutenden Schatzes aus der Bronzezeit.

Das grüne Naherholungsgebiet wurde 1911 anlässlich des 90. Geburtstages von Prinzregent Luitpold von Bayern angelegt. Damals gab es den aus Schutt des Zweiten Weltkrieges bestehenden Luitpoldhügel natürlich noch nicht und der Park wurde im Norden von der heute nicht mehr existierenden Stiftprobst-Türk-Straße begrenzt. Diese befand sich dort, wo sich heute die Burgunderstraße erstreckt und verband die Borschtallee mit der Schleißheimer Straße. Sie verlief an der Stelle, wo sich heute der Luitpoldhügel erhebt. Südlich der Stiftprobst-Türk-Straße, in der Nordwestecke des Luitpoldparks, befand sich die bereits genannte städtische Kiesgrube, in der man 1928 beim Kiesabbau in 1,10 Metern Tiefe auf ein Depot von insgesamt 500 C-förmig gebogenen Kupferstäben in drei Bündeln stieß. Sie werden als Spangenbarren bezeichnet und sind 18 bis 24 Zentimeter lang, in der Mitte verdickt und verjüngen sich zu den Enden. Sie haben ein Gesamtgewicht von circa 85 Kilogramm und datieren in eine Zeit zwischen 1.800 und 1.600 v. Chr. Demnach stammen die Barren aus dem jüngeren Abschnitt der frühen Bronzezeit (2.200 – 1.600 v. Chr.), in der sie auch in Beil- oder Ringform angefertigt wurden. Ab der Frühbronzezeit ist mit Barrenhorten ein neues Phänomen zu beobachten, das sich vor allem in Südostbayern und Niederösterreich konzentrierte, aber auch bis nach Tschechien und in die Slowakei reichte. Als Depot- oder Hortfunde werden Ansammlungen von mindestens zwei Artefakten bezeichnet, die gleichzeitig in die Erde gelangten und nicht in Verbindung mit einer Bestattung stehen.

Man vermutet, dass die Barren wertvolles Rohmaterial darstellten, die noch an den Abbauplätzen, wie dem Unteren Inntal oder dem berühmten Mitterberg bei St. Johann im Pongau, in ihre jeweilige Form gegossen wurden. Da die fertigen Barren nun gut in Bündel zusammengebunden werden konnten, waren sie auch leichter transportierbar. Erreichten sie schließlich den Bronzeschmied, erfolgte ihre Weiterverarbeitung zum jeweiligen Endprodukt.

Als man die Spangenbarren in der Kiesgrube an der Stiftprobst-Türk-Straße fand, hatte man den größten derartigen Fund in Bayern vor sich. Erst die Aufdeckung des Depots in Obererding im Jahr 2014 mit 796 Stücken übertraf den Fund aus dem Luitpoldpark. Die Bedeutung des Fundes aus Schwabing zeigt sich neben seiner Größe dahingehend, dass durch ihn ein Spangenbarrentyp definiert wurde, der unter Fachleuten als „Typ München-Luitpoldpark“ bekannt ist.

Die Erklärung für die Deponierung der Spangenbarren im heutigen Luitpoldpark ist noch immer umstritten. Die sorgfältige Niederlegung der Kupferbarren in drei Haufen könnte für eine rituelle Handlung sprechen. Vielleicht steckte dahinter die Vorstellung, einen Teil des aus dem Berg geraubten Materials an die Erde zurückzugeben, um so dem Zorn der Götter zu entgehen. Es werden aber auch andere Erklärungen diskutiert, wie zum Beispiel das Vergraben des wertvollen Rohmaterials aufgrund drohender Überfälle oder als geheimes Rohstofflager eines Bronzeschmieds. Die Deponierungen könnten ebenso ein Zeichen für Störungen im damaligen Tauschhandel sein und Waren darstellen, die zur Zeit ihrer Vergrabung nicht weiter gehandelt werden konnten.

Ob die Niederlegung der 500 Spangenbarren im Luitpoldpark nun wirtschaftliche oder religiöse Gründe gehabt haben mag, für uns sind sie auf eine andere Weise ein wertvoller Schatz, denn sie bringen uns das lange vergangene Leben der Menschen aus der Bronzezeit und damit unserer Vorfahren ein bisschen näher.

Bilder

Der Obelisk im Luitpoldpark, 2021
Der Obelisk im Luitpoldpark, 2021 An den 90. Geburtstag des Prinzregenten Luitpold erinnert der bei Münchner:innen sehr beliebte Luitpoldpark. Erstellt von: B. Haas-Gebhard
Der Schatz aus dem Luitpoldpark, 1999
Der Schatz aus dem Luitpoldpark, 1999 Die Kupferbarren wirken auf den ersten Blick nicht wirklich wie ein Schatz. Heute grün patiniert, darf man sich die 500 Kupferbarren ehemals goldglänzend vorstellen. In der Bronzezeit waren sie ein kleines Vermögen wert. Quelle: Archäologische Staatssammlung München Erstellt von: M. Eberlein
Zwei Kupferbarren, 2016
Zwei Kupferbarren, 2016 Die einzelnen Barren sind etwa 20 cm lang und wiegen jeweils um die 170 g. Deutlich kann man erkennen, dass es sich dabei nicht etwa um Schmuck, sondern einfaches Rohmaterial handelt, das eigentlich weiterverarbeitet werden sollte. Quelle: Archäologische Staatssammlung München Erstellt von: St. Friedrich
Der Fund von Ilching, 2010
Der Fund von Ilching, 2010 Lange nicht so ein großes Vermögen wie der Schatz im Luitpoldpark stellt der Fund von Ilching (Lkr. Ebersberg) dar. Was ihn aber besonders macht: Die genaue Lage der einzelnen Stücke konnte genau beobachtet werden. Durch glückliche Umstände waren die Bastfäden noch erhalten, mit denen jeweils 5 Barren zu einem Bündel zusammengebunden waren. Ein frühes Währungssystem? Quelle: Archäologische Staatssammlung München Erstellt von: M. Eberlein

Ort

Luitpoldpark, 80804 München

Metadaten

Anna Enzensberger und Heiner Schwarzberg, “Ein Schatz im Luitpoldpark,” MunichArtToGo, zuletzt zugegriffen am 21. November 2024, https://municharttogo.zikg.eu/items/show/154.