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Die Villa Riemerschmid

Richard Riemerschmid und seine Jugendstil-Villa in der Gartenstadt München-Pasing

Aus England kamen gegen Ende des 19. Jahrhunderts viele künstlerische Ideen. Auch August Exters Gartenstadt in Pasing (Villenkolonie I) wurde durch englische Vorbilder maßgeblich inspiriert. Richard Riemerschmid (1868–1957), der nebenan in der späteren Villenkolonie II wohnte, war ein bedeutender Vertreter des Jugendstils. Der Jugendstil und sein internationales Pendant, der Art Déco, können als Antwort auf die Industrialisierung verstanden werden. Der Unterschied zwischen beiden Strömungen liegt darin, dass der Jugendstil organische Formen und Kurven bevorzugte, während der Art Déco zur Symmetrie und architektonischen Ordnung zurückkehrte.

1868 in München geboren, studierte Riemerschmid Kunst an der Münchner Akademie. Der Architekt, Designer, Innenarchitekt und Grafiker erlangte Anerkennung mit der Gestaltung der Münchner Kammerspiele, des Müllerschen Volksbads, vieler Privatvillen und des Münchner Funkhauses. Nahezu jeder Raum, die Türen und Fenster sowie die Tür- und Fensterbeschläge seiner Villa in Pasing wurden von ihm vollständig durchgeformt.

Als Gegenbewegung zur Industrialisierung sind die floralen und pflanzlichen Motive des Jugendstils für das „Zurück zur Natur“ der Gartenstadt-Bewegung prädestiniert. Die 1898 erbaute, gut erhaltene Villa Riemerschmids in der Lützowstraße 11 erhebt sich einem Märchenschloss gleich in einem großzügigen Park. Funktional ist das Gebäude einem englischen Cottage und einem kleinen Stadthaus nachempfunden. Die Wohn- und Nutzfläche beträgt ungefähr 600 Quadratmeter. Auf das Haupthaus von 1898 folgten 1907 der Wirtschaftsflügel und das Ateliergebäude. Haupt- und Nebengebäude umrahmen nun einen kleinen Hof, das Atrium. Fachwerkbalken, Holzschindeln, Türmchen, Erker und verschiedenförmige Fenster und Türen in Formen des Art Nouveau beziehungsweise Art Déco prägen den ersten Eindruck. Unterschiedlich gewölbte Dachteile und Formen, hohe Sprossenfenster, hölzerne Türen, und eiserne Gitterdekorationen verleihen der Villa etwas Geheimnisvolles und Schönes.

Heute zeugt nur noch die etwas von der Straße entfernte typische Jugendstil-Art Déco-Fassade von dem ehemaligen Gesamtkunstwerk; das Riemerschmidsche „Innenleben“ wurde vor dem unnötigen Verkauf ausgebaut. Leider scheiterten in den 2000er Jahren alle Versuche, die Villa durch die Stadt zu erwerben, um hier ein erstes und interessantes Jugendstil-Museum einzurichten.

Bilder

Villa Riemerschmid, Gartenfassade, undatiert
Villa Riemerschmid, Gartenfassade, undatiert Dieses alte Foto (vermutlich 1920er Jahre) zeigt den Originalzustand des stattlichen Gebäudes, den kleinen, Altan ähnlichen mittleren Kamin, die kunstvoll erhöhte Fassade und den noch großen Garten. Die späteren, teils unpassenden eckigen Anbauten, das straßenseitige Atelier und der angefügte kleinere Wirtschaftstrakt existierten seinerzeit noch nicht. Im Gegensatz zum etwas vergilbten S/W Bild erscheint die heutige abgesetzte weiß-gelbliche Farbgebung aller Gebäude viel gelungener, ohne allerdings genau zu wissen, wie die Fassaden damals gestrichen waren; vermutlich in verschiedenen weiß-grauen Tönen. Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Photothek/Archiv, ZI-1010-06-00-382679
Richard Riemerschmid
Richard Riemerschmid Richard Riemerschmid wurde am 20. Juni 1868 in München geboren und starb dort am 13. April 1957. Er war ein begnadeter Architekt, innovativer Designer und Hochschullehrer. Man zählt ihn zu den bedeutendsten Künstlern des deutschen Jugendstils. 1897 gehörte er zu den Mitbegründern der Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk und 1907 auch des Deutschen Werkbunds. Als Wegbereiter der neuen Kunst und Handwerk Bewegung, vor allem beeinflusst von dem englischen Arts and Crafts Movement, gestaltete er neben vielen außergewöhnlichen Gebäuden auch Möbel, Tapeten, Stoffentwürfe und wunderschöne Glasobjekte. Für die weltweit berühmte Meißner Porzellanmanufaktur gestaltete er diverse ausgezeichnete Objekte. Quelle: Wikipedia
Villa Riemerschmid mit dem lichten Ateliergebäude, 2013
Villa Riemerschmid mit dem lichten Ateliergebäude, 2013 Die typische und einzigartige Jugendstil-Villa Riemerschmid in der Lützowstraße 11 in Pasing wurde in Anlehnung an den Stil englischer Cottages von Riemerschmid selbst erbaut und 1907 durch ein geräumiges Ateliergebäude sowie den kleineren Zwischenanbau ergänzt. 2007 verkauften die späteren Erben das ansehnliche architektonische Juwel und entfernten vorher die gesamte wertvolle Inneneinrichtung. Quelle: Wikimedia Commons Erstellt von: Peterfl
Villa Riemerschmid, Wohnzimmer, undatiert
Villa Riemerschmid, Wohnzimmer, undatiert Der höchst individuelle Charakter des Haus lässt sich gut an den aufwändigen filigranen Beschlägen der Tür und an der Supraporte ablesen - die sechs Figuren zeigen vermutlich die Familie einschließlich Personal. Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Photothek/Archiv, ZI-1010-06-00-Th062672
Zeitschriften „Arts & Crafts“ (London, 1916) und „The Studio“ (London, 1893)
Zeitschriften „Arts & Crafts“ (London, 1916) und „The Studio“ (London, 1893) Diese beiden Zeitschriften waren die „Schaufenster“ der Arts-and-Crafts-Bewegung. Dieser internationale Trend in der dekorativen und bildenden Kunst entwickelte sich zuerst in Großbritannien und breitete sich über das britische Empire auf das übrige Europa und Amerika aus. Die Bewegung entstand als Reaktion auf (historisierende) Tendenzen in der angewandten Kunst, die als Verarmung empfunden wurden. Sie erlebte ihre Blütezeit in Europa und Nordamerika zwischen 1880 und 1920. Der britische Modern Style kann als Vorläufer der Art Nouveau oder später der Art Déco angesehen werden. Quelle: openlibrary.org (links); Wikimedia Commons (rechts) Erstellt von: Giovanni Dall'Orto (rechts)

Ort

Lützowstraße 11, 81245 München

Metadaten

Michael Stanic, “Die Villa Riemerschmid,” MunichArtToGo, zuletzt zugegriffen am 4. Dezember 2024, https://municharttogo.zikg.eu/items/show/123.