Das Wandbild des St. Onuphrius am Marienplatz
Ein ägyptischer Heiliger in München
Vermutlich bereits seit dem Ende des 15. Jahrhunderts ziert die Fassade des Hauses Nr. 17 am Marienplatz ein Bild des Münchner Stadtheiligen Onuphrius. Ursprünglich ein ägyptischer Wüstenheiliger und Eremit, geht dessen Verehrung in München bis auf den Stadtgründer Heinrich den Löwen zurück.
Alteingesessene Münchner:innen mögen das Wandbild am Marienplatz vielleicht unter dem Namen „Stoffel vom Eiermarkt“ kennen oder wissen um die Legende, dass man an dem Tag, an dem man das Bild anschaut, keines plötzlichen Todes stirbt. Die Inschrift über der halbnackten, alten, bärtigen Männerdarstellung gibt Aufschluss über seine Identität. Dort steht „Sankt Onuphrius“. Bei ihm handelt es sich um einen koptischen Heiligen, der auch in der orthodoxen, äthiopischen und katholischen Kirche verehrt wird.
Die Lebensgeschichte des Heiligen Onuphrius ist überliefert durch den Bischof Paphnutius von Ägypten (4. Jh.). Laut Paphnutius lebte Onuphrius als Mönch in einem Kloster in der Thebais, zog sich dann aber als Anachoret, also Einsiedler, in die Wüste zurück und verbrachte dort über 70 Jahre, bis ihn Paphnutius aufsuchte, die Nacht mit ihm im Gebet verbrachte und seine Lebensgeschichte erfuhr. Am nächsten Morgen starb Onuphrius und wurde von Paphnutius begraben.
Onuphrius wird meist als alter, hagerer Mann mit langem Haar und Bart gezeigt, der nur einen Fellschurz oder eine Bedeckung aus Blättern trägt. Zu seinen Attributen gehören ein Stock und ein Kreuz. Zahlreiche Ikonen und auch Gemälde von Albrecht Dürer (1471–1528) zeigen den Heiligen, doch wie verschlug es ihn auf eine Münchner Hauswand?
Von einem seiner Kreuzzüge soll der Gründervater Münchens, Heinrich der Löwe (wohl 1129/30–1195), die Hirnschale des Heiligen Onuphrius mitgebracht haben, nach anderer Überlieferung war es ein Geschenk, dass ihm der Papst schickte. Heinrich erwählte Onuphrius als Schutzpatron der Stadt München, die Hirnschale wurde in der St.-Laurenz-Kapelle des Alten Hofes aufbewahrt. Mit dem Abriss der Kapelle im Jahre 1816 ging auch die Hirnschale verloren, doch vielleicht hatte sie München schon viel früher verlassen, mit dem Fortgang Heinrichs des Löwen. Möglicherweise folgte sie ihm nach Braunschweig und liegt heute im dortigen Dom verborgen.
Das Wandbild am Marienplatz geht auf einen gewissen Heinrich Primat zurück, der 1493 gelobt haben soll, ein Bild des Heiligen an seinem Hause anzubringen, wenn er wohlbehalten von einer Pilgerfahrt ins Heilige Land nach München zurückkehrt. Möglicherweise gehörte Primat zum Gefolge Herzog Christophs des Starken (1449–1493), der sich im selben Jahr nach Jerusalem aufmachte, im Gegensatz zu Primat die Reise allerdings nicht überlebte. Herzog Christoph starb in Rhodos an einem Fieber, Heinrich Primat löste sein Versprechen ein und seither wird auch das Wandbild am Haus am Marienplatz immer wieder erneuert. Dasjenige von Gabriel von Seidel wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, das heutige Fassadenmosaik stammt von Max Lacher (1905–1988).
Im Volksglauben verschwamm der Heilige Onuphrius mit dem ganz ähnlich dargestellten St. Christophorus und so kam es zum Spitznamen „Stoffel vom Eiermarkt“. Auch geht die Legende, dass einst ein behaarter Riese aus dem Umland gekommen sei, um München vor einem Brand zu retten. Auch im Namen des Stadtheiligen findet sich ein Anklang an das alte Ägypten, denn der Name „Onuphrius“ geht zurück auf das altägyptische „Wen-nefer“, ein Name des Jenseitsherrschers Osiris.
St. Onuphrius ist übrigens nicht nur ein Münchner Stadtpatron, er steht dem Glauben nach auch den Weber:innen, den Studierenden mit Lernproblemen und den heiratswilligen Frauen bei. Außerdem hilft er beim Wiederfinden verlorener Sachen.
Auch an anderen Orten in München kann man Onuphrius wiederfinden – in der Peters- und der Frauenkirche stehen Statuen von ihm und in der Blutenburg findet sich ein weiteres Wandgemälde des Heiligen.