Die Abteikirche St. Bonifaz
Eine Kirche zwischen Kunstpolitik und Wiederaufbau
St. Bonifaz in München diente im Laufe der Geschichte nicht nur als spiritueller Ort, sondern spielte auch eine bedeutende Rolle in der Kunstpolitik und dem Wiederaufbaukonzept nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Benediktiner-Abtei wurde im Jahr 1835 auf Veranlassung von König Ludwig I. gegründet und sollte ein neues geistliches Zentrum in der Maxvorstadt bilden.
Für König Ludwig I. (reg. 1825–1848) war Religion nicht nur eine persönliche Angelegenheit, sondern auch ein Mittel, um vorrevolutionäre Herrschaftsordnungen wiederherzustellen. Er strebte die geistige Annäherung an das Idealbild des Mittelalters an und sah in der Kunst eine Möglichkeit, die Verbindung von Kultur und Religion zu stärken – die Religion sollte sich in der Kunst widerspiegeln. In München baute der König fünf Kirchen in verschiedenen historischen Baustilen, darunter auch die Abteikirche St. Bonifaz. Gemeinsam mit den heutigen Staatlichen Antikensammlungen verwirklichte Ludwig I. mit Kirche und Kloster St. Bonifaz am Königsplatz sein Ideal von der Religion als Quelle aller Kunst, indem er Wissenschaft, Kunst und Kirche als Dreiklang zusammen brachte.
Der Bau von St. Bonifaz wurde vom Architekten Georg Friedrich Ziebland (1800–1873) gestaltet und orientierte sich an frühchristlichen Vorbildern. Die neoromanische Basilika wurde als fünfschiffige Kirche ohne Querschiff konzipiert und galt damals als eine der schönsten modernen Kirchen ihrer Zeit. Die Innenausstattung stand ganz im Zeichen der Fresken- und Glasmalerei, die von Heinrich Maria von Heß (1798–1863) im Stil der Nazarener gestaltet wurde. Das Bildprogramm mit Episoden aus der Bonifatiusvita, der Kirchengeschichte, Legendendarstellungen „bayerischer“ Heiliger sowie Papstmedaillons wurde vom Theologen Ignaz von Döllinger (1799–1890) konzipiert. König Ludwig I. unterstützte diese junge Künstlergeneration, die sich für eine Erneuerung der christlichen Kunst nach dem Vorbild des Mittelalters und der Frührenaissance einsetzte.
Während des Zweiten Weltkriegs wurde St. Bonifaz schwer beschädigt, aber in den Jahren von 1945 bis 1950 unter der Leitung von Hans Döllgast (1891–1974) teilweise rekonstruiert. Dabei wurden die Reste der Außenmauern und Säulen im Süden restauriert und ergänzt, um einen nahezu quadratischen Gottesdienstraum zu schaffen. Bei diesem Wiederaufbau war es ein Anliegen, die Wunden sichtbar zu lassen und die Narben der Geschichte zu bewahren. Ein Ansatz, der auch bei den Pinakotheken gewählt wurde und den Döllgast selbst als „schöpferische Wiederherstellung“ bezeichnete.
Heute ist St. Bonifaz nicht nur als Ort des Gebetes bekannt, sondern auch für seine Bildungsarbeit und die Betreuung von Wohnungslosen.
In den 1980er Jahren und bis heute wurden verschiedene künstlerische Innenausgestaltungen in der Basilika vorgenommen, um die Verbindung von Kunst und Religion weiter zu pflegen. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Kreuzwegfolge des Künstlers Bernd Hendl, die von 2015 bis 2017 entstand.
St. Bonifaz in München hat im Laufe der Zeit eine spannende Geschichte durchlebt. Von König Ludwig I. als Teil seiner Kunstpolitik gegründet, wurde die Kirche zu einem architektonischen Juwel, das die Verbindung von Religion und Kunst verkörperte. Nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs wurde St. Bonifaz unter der Leitung von Hans Döllgast wiederaufgebaut und bewahrt bis heute die Spuren seiner bewegten Vergangenheit. Als Ort der Spiritualität, sozialen Fürsorge und künstlerischen Schönheit bleibt St. Bonifaz ein bedeutender Teil des kulturellen Erbes von München.