Die weibliche Figur vor der Ludwigstraße 28
Eine Personifikation der Gerechtigkeit?
Auf der rechten Treppenwange eines Nebenportals des Hauptgebäudes der Ludwig-Maximilians-Universität befindet sich die Bronzestatue einer weiblichen Figur, die der Inschrift zufolge 1952 von Elmar Dietz geschaffen wurde.
Die weibliche Figur steht aufrecht und weist eine nur angedeutete ponderierte Haltung mit leicht nach vorne gesetztem nacktem rechten Fuß auf. Sie ist in ein bodenlanges, ärmelloses Gewand gehüllt. Die Art und Weise, wie das Kleid an ihrem Körper zu „kleben“ scheint, erinnert an den Reichen Stil der griechischen Klassik (430/20 bis 400/390 v. Chr.): Die Brust formt sich unter dem dünnen Gewand deutlich ab, auch ihr Knie ist unter dem Stoff sichtbar. Den rechten Arm hat sie mit leicht geöffneter Handfläche Richtung Boden ausgestreckt, der linke ist leicht angewinkelt erhoben. Die Frauenfigur schaut mit erhobenem Kopf geradeaus, ihr langes Haar ist in einem tiefen Zopf im Nacken zusammengesteckt.
Seit den 1950er Jahren hat sich Elmar Dietz mit der bildhauerischen Gestaltung und Modellierung der Oberfläche von Gewandfiguren beschäftigt. Der differenzierte und körperbetonte Faltenwurf der weiblichen Bronzefigur zeigt seine künstlerische Umsetzung. Seine Frauengestalt weist Elemente der antiken Plastik auf und besticht durch eine klare, klassische Formsprache.
Dietz‘ Figur vor der Universität wird häufig als Justitia beziehungsweise als Personifikation der Gerechtigkeit gedeutet. Zwar fehlen die wichtigsten Attribute der Justitia: Augenbinde, Waage und Richtschwert, die versinnbildlichen, dass das Recht ohne Ansehen der Person, nach Abwägung der Sachlage und mit der nötigen Härte durchgesetzt wird. Für diese Deutung sprechen jedoch die Vergangenheit des Ortes und auch die heutige Nutzung. Errichtet wurde das Gebäude an der Ludwigstraße 28 von 1936 bis 1939 als „Haus des Deutschen Rechts“ und Dienststelle der NSDAP, heute dient es als Zugang zu den beiden wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten. Die in den 1950er Jahren errichtete Frauenfigur kann daher tatsächlich als Justitia und so auch als eine Art Mahnung gedeutet werden.
Elmar Dietz absolvierte eine Holz- und Steinbildhauerlehre in Würzburg und ein Studium der Bildhauerei bei Hermann Hahn an der Akademie der Bildenden Künste in München. Seine Kleinplastiken waren in der Großen Deutschen Kunstausstellung und nach dem Zweiten Weltkrieg bei der Großen Kunstausstellung im Haus der Kunst ausgestellt. Seit 1972 befindet sich auf dem Siegestor am nördlichen Ende der Ludwigstraße zudem eine neue Bronzequadriga, die von 1969 bis 1972 ebenfalls von Elmar Dietz geschaffen wurde. Seitdem sind zwei seiner Werke in unmittelbarer Nähe im Münchner Stadtraum präsent.