Die Luitpoldbrücke
Geschenke des Prinzregenten und eine Kommune im Schlachthofviertel
„Als der Höhepunkt der furchtbaren Heimsuchung, welche die Stadt München in diesen Tagen durch eine in solchem Umfange bisher noch niemals eingetretene Hochwasser-Katastrophe getroffen, wird in der hiesigen Bevölkerung allgemein der Untergang der monumentalen Luitpoldbrücke, des hervorragenden Bauwerks angesehen, welches Se. kgl. Hoheit der Prinz-Regent anläßlich der Feier Allerhöchstseines 70. Geburtsfestes zu errichten beschlossen und im November 1893 der Stadtgemeinde München schenkunsgweise übergeben ließen …“ (Allgemeine Zeitung, 18. September 1899, S. 5). Mit diesen Worten begann Wilhelm Ritter von Borscht, Erster Bürgermeister von München, die Lagebesprechung nach den dramatischen Ereignissen vom 14. September 1899: Ein katastrophales Hochwasser hatte die Stadt heimgesucht und große Schäden an Uferbefestigungen und Wehren aber auch in den Maximiliansanlagen und den Isarauen verursacht. Zudem wurden fast alle Brücken schwer beschädigt. Vollständig von der Kraft der Wassermassen zerstört wurden die Max-Joseph-Brücke und die Luitpoldbrücke, die erst wenige Jahre zuvor der Stadt übergeben worden war.
Schon zwei Jahre nach der Flut wurde auf Geheiß des Prinzregenten Luitpold eine neue Brücke errichtet, die künstlerische Gestaltung wurde dem Architekten Theodor Fischer (1862–1938) übertragen. Eindrücklich zeugt die hohe steinerne Einfassung des Ufers noch heute von den Bemühungen, durch Regulierung des Flusses die neue Brücke vor künftigen Hochwassern zu schützen. Geprägt wird das Erscheinungsbild durch die Verkleidung des gesamten Bauwerks mit Naturstein, hellgrauem Muschelkalk aus bayerischen Steinbrüchen. Die Zwickel des Brückenbogens sind mit Lorbeerkränzen mit dem Monogramm Luitpolds geschmückt, auf dem Scheitel ist im Süden ein kupfernes Königswappen angebracht, im Norden ein Brustbild des Brückenheiligen Johannes von Nepomuk. Auf beiden Uferseiten wird die Zufahrt auf die Brücke von in die Brüstung eingefügten Sockeln mit Liegefiguren der vier bayerischen Stammesgebiete flankiert: Rechts der Isar handelt es sich um Franken und um Schwaben, auf der der Innenstadt zugewandten Seite um Bayern und um die Pfalz.
In der Photothek des ZI finden sich Aufnahmen der Luitpoldbrücke aus verschiedenen Jahrzehnten. Ein aufgrund der Inventarnummer in das Jahr 1972 zu datierendes Foto der Personifikation der Pfalz verdient dabei besonderes Augenmerk, da sich auf dem Sockel ein Hinweis auf ein kurioses Kapitel der Münchner Stadtgeschichte befindet – der schwarze Schriftzug „Heiduk“.
Lange bevor München Mitte der 1980er Jahre zur Geburtsstadt der deutschen Graffiti-Bewegung wurde, trieben schon einmal Sprüher ihr Unwesen in der Stadt. Ende der 60er Jahre tauchte, zunächst vermehrt auf Hauswänden im Süden Münchens, das rätselhafte Wort „Heiduk“ auf, von Unbekannten über Nacht mit schwarzer Sprühfarbe angebracht. Spätestens nachdem die Münchner Boulevardzeitung tz nach dem Ursprung des geheimnisvollen Wortes fahndete, verbreitete sich das Phänomen mit Hilfe einiger Nachahmer über die ganze Stadt. Theorien über die Urheber und die Bedeutung wurden der Zeitung zahlreich zugesandt: So vermutete man, dass Untergrundbewegungen oder Fussballfans, Gesellschaftskritiker oder gar ein betrunkener Einzeltäter für die Schmierereien verantwortlich seien. Ein kürzlich aus der Haft entlassener Leser erkannte in der Aktion gar eine Solidaritätsbekundung für einen ehemaligen Mithäftling namens Heiduk. Letztlich wurde einer der Sprüher auf frischer Tat ertappt und das Rätsel konnte gelöst werden: Eine Kommune im Schlachthofviertel hatte sich von ihrem Vermieter ungerecht behandelt gefühlt und, um sich zu rächen, daraufhin begonnen, seinen Namen auf Hauswände zu schreiben.
Erhalten hat sich dieses Zeitzeugnis dank einer Fotokampagne zur Erfassung der Architektur in München – Münchner Baukunst des 19. Jahrhunderts, darunter die Fassaden von Bürgerhäusern und die Münchner Kirchen –, die ab 1971 über mehrere Jahre vom ZI durchgeführt wurde.