Das Seminar für Ägyptologie und vorderasiatische Alterthumskunde 1923–1930
Wilhelm Spiegelberg und Thomas Mann

Nachdem am 2. April 1923 an der Ludwig-Maximilians-Universität ein „Seminar für Ägyptologie und vorderasiatische Altertumskunde“ eingerichtet wurde, übernahm Wilhelm Spiegelberg (1870–1930) zum 1. Oktober 1923 die ordentliche Professur für Ägyptologie. Er gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der deutschsprachigen Ägyptologie und hat allein 181 Beiträge für die „Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde“ veröffentlicht und grundlegende Arbeiten für die Koptologie und Demotistik geleistet.
Wilhelm Spiegelberg war zuvor Ordinarius an der Universität in Straßburg gewesen, musste die Stadt aber mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs verlassen. Seine umfangreiche Privatbibliothek rettete er nach Heidelberg, wo er dann als ordentlicher Honorarprofessor tätig war, bevor er dem Ruf nach München folgte. Dort sah Spiegelberg sich zunächst einer von seinem Amtsvorgänger Friedrich Wilhelm Freiherr von Bissing (1873–1956) und dem Studentenvertreter und NSDAP-Mitglied Heinrich Kersken (1894–1960) initiierten antisemitischen Hetzkampagne ausgesetzt, derer er sich jedoch erwehren konnte.
Das ägyptologische Seminar war seit Oktober 1923 zunächst provisorisch im Raum 144 im Erdgeschoss des Hauptgebäudes untergebracht. An der Universität herrschte damals große Raumnot, doch Spiegelberg gelang es schließlich „zwei eigens hergerichtete Zimmer im ersten Stock des Südflügels der Universität (Nr. 224a)“ (so Spiegelberg in einem Bericht zum Seminar von 1926) zugewiesen zu bekommen. Hierfür war eine Toilette umgebaut worden! Im Zweiten Weltkrieg wurde dieser Teil der Universität schwer beschädigt. Die Räume existieren heute nicht mehr.
Spiegelberg knüpfte schnell Kontakte in die Münchner Gesellschaft und konnte sich der Unterstützung von Kollegen und Sponsoren versichern. Seine eigene Bibliothek bildete den Grundstock für die neue Institutsbibliothek. In der heutigen Bibliothek des Instituts für Ägyptologie und Koptologie der LMU in der Katharina-von-Bora-Straße 10 ist er noch durch zahlreiche Bücher aus seinem Privatbesitz präsent, die an seinem Exlibris zu erkennen sind, die seine Witwe dem Seminar 1932 zunächst als Leihgabe zur Verfügung stellte und die sein Nachfolger größtenteils sukzessive aufkaufen konnte. Spiegelberg stellte auch eine Photo- und Diasammlung zusammen. Letztere ging im Zweiten Weltkrieg verloren.
Ab 1927 stand Wilhelm Spiegelberg in Kontakt mit Thomas Mann, der sich um ägyptologische Hilfestellung bei der Abfassung der „Josephsromane“ bemühte. Thomas Mann hatte in diesem Jahr den ersten Abschnitt „Am Brunnen“ geschrieben, den er am 8. November 1927 in einer öffentlichen Lesung im Audimax der Universität vortrug. Zum Publikum gehörte auch Wilhelm Spiegelberg. Dies erfuhr Thomas Mann wiederum über Freunde, setzte sich daraufhin mit dem Ägyptologen in Verbindung, der ihm antwortete:
„Sehr verehrter Herr Dr.
Als ich vor 8 Tagen Ihrer Vorlesung mit größtem Genuss beiwohnte, ahnte ich nicht, daß mich der noch größere erwarten könnte, einmal mit Ihnen über den historischen und kulturellen Hintergrund Ihrer Dichtung sprechen zu dürfen. Sie sehen daraus, welche Freude Sie mir mit Ihrem Besuch machen werden. Ich hoffe nur, Sie erwarten von mir nicht zu viel. Vielleicht kann ich Ihnen nur den negativen Dienst leisten, daß ich Sie vor schlechter irreführender Literatur bewahre, die es leider sehr reichlich giebt. Bestenfalls kann ich Ihnen die Steigbügel für einen nicht allzu wesentlichen Teil Ihres Dichterflugs halten, und das werde ich gerne thun.
Mit frdl. Begrüßung
Ihr sehr ergebener
W. Spiegelberg“
(zitiert nach Grimm 1992, S. 27)
In der Folge arbeitete und recherchierte Thomas Mann auch selbst im damaligen Seminar für Ägyptologie. Kurz vor Weihnachten 1930 verstarb Wilhelm Spiegelberg überraschend an einer Embolie in Folge einer Krebs-Operation.
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