Eingeordnet unter Orte der Erinnerung

Das Kaufhaus Oberpollinger

Zwei Handelskoggen auf dem Dach verweisen bis heute auf die Verbindung in den Norden

Das Grundstück des jahrhundertealten Traditionsgast- und Brauhauses Oberpollinger war für die Hamburger Kaufhausdynastie M. J. Emden Söhne Anfang des 20. Jahrhunderts der ideale Standort für eine Münchner Niederlassung. Zwar ging es schon bald in den Besitz der Karstadt AG über, behielt aber bis heute seinen alten Namen und ist inzwischen eines der letzten großen Warenhäuser der Stadt.

Am 15. Februar 1905 und damit zehn Tage vor dem nur wenige hundert Meter entfernten Warenhaus Hermann Tietz am Bahnhofplatz eröffnete das Kaufhaus Oberpollinger in der Neuhauser Straße gleich hinter dem Karlstor. Beim namensgebenden Oberpollinger handelte es sich um einen Gasthof mit Brauerei aus dem späten Mittelalter, der zuletzt als Hotel betrieben und Ende 1902 versteigert wurde. Wie bei ihren anderen Filialen entschied sich die jüdische Hamburger Kaufhausfamilie M. J. Emden Söhne, den alten Hausnamen zu behalten, was eine lokale Verwurzelung suggerieren sollte.

Wie auch bei Hermann Tietz am Bahnhofplatz bestand der Magistrat darauf, dass sich der neu errichtete Warenhausbau der Münchner Umgebung und hier vor allem der benachbarten Bürgersaalkirche anpasste. Auch hier wurde das Büro von Heilmann & Littmann mit der Planung beauftragt. Sie realisierten ein Gebäude mit drei prägnanten Giebeln zur Neuhauser Straße. Auf dem mittleren Giebel ist eine weibliche Figur zu sehen. Große Schaufensterfronten sowie diverse kleinteilige Schmuckplastiken an der Hauptfront zur Neuhauser Straße zierten das Gebäude. Im Innern war es schlicht gehalten. Hauptaugenmerk kam dem quadratisch angelegten Lichthof zu, der vornehmlich der Präsentation von Waren bei Sonderverkaufsaktionen diente.

M. J. Emden Söhne wurde bald von Max Emden (1874–1940) allein betrieben. Er beteiligte sich unter anderem auch am KadeWe in Berlin und führte seine Kaufhäuser ähnlich innovativ wie sein Konkurrent Hermann Tietz. Aufsehenerregende Werbemaßnahmen garantierten den Erfolg. So erschien ab 1907 über mehrere Jahre „Oberpollingers Illustriertes Modeblatt und Frauenzeitschrift“, das die seit etwa 1900 üblichen Versandkataloge um redaktionellen Inhalt erweiterte und kostenlos an die Kundschaft abgegeben wurde. Ab 1928 folgte das hauseigene „Magazin für Mode, Heim und Welt“, das allerdings 10 Pfennige kostete.

Mitte der 1920er Jahre verkaufte Max Emden seine Warenhäuser an den ebenfalls jüdischen Kaufhausunternehmer Rudolph Karstadt (1856–1944), der seine Firma seit 1920 als Aktiengesellschaft betrieb. Emden zog sich als Privatier an den Lago Maggiore zurück, wo er auf seiner Privatinsel eine bedeutende Kunstsammlung aufbaute.

Die Wirtschaftskrise nach 1929 ging auch an den Karstadt-Warenhäusern nicht spurlos vorbei, ebenso machten ihnen die zunehmenden Anfeindungen gegen jüdische Warenhäuser zu schaffen. Gewaltige Umsatzeinbrüche waren die Folge. 1932 zog sich Rudolph Karstadt als Hauptaktionär zurück. Im Sommer 1933 knüpften die Banken die Auszahlung eines zum Weiterbetrieb der Warenhäuser dringend benötigten Kredits an das Ausscheiden jüdischer Geschäftsführer, Aktionäre und Angestellter. Zwei leitende Mitarbeiter, die auch Mitglieder der NSDAP waren, sorgten dafür, dass die Forderungen umgesetzt wurden. Somit ist die Karstadt AG, die allerdings ihren Namen behielt, wie auch Hermann Tietz, aus dem nach der Arisierung durch die Nationalsozialisten Hertie wurde, eines der ersten großen, arisierten jüdischen Unternehmen in Deutschland. Im Rahmen der sogenannten Wiedergutmachungen wurden nach dem Krieg Ausgleichszahlungen an die ursprünglichen Besitzer und deren Erben geleistet, en détail aufgearbeitet ist die Geschichte allerdings noch nicht.

Anfang 1945 wurde das Kaufhaus Oberpollinger bei einem Bombenangriff schwer getroffen. Es brannte nahezu vollständig aus. Die letzten Warenbestände und Einrichtungsgegenstände wurden geplündert. Nach Kriegsende eröffnete der Verkauf zunächst nur in den Kellerräumen, ab 1947 im Erdgeschoss. Bis 1949 dehnte sich die Verkaufsfläche nach und nach über die weiteren Etagen aus. 1954 erfolgte die feierliche Wiedereröffnung des Gesamtgebäudes unter dem Slogan „Außen im vertrauten Kleid – innen nach der neuen Zeit“. 2006 wurde auf dem angrenzenden Gelände ein Anbau eröffnet, der die Verkaufsfläche maßgeblich erweiterte. Vor dem Eingang des Anbaus erinnert ein massiver Granitblock daran, dass sich hier einst die frühere Hauptsynagoge befand.

Bilder

Neuhauser Straße, 1905
Neuhauser Straße, 1905 Gleich hinter dem Karlstor eröffnete die Hamburger Kaufmannsfamilie M. J. Emden Söhne im Februar 1905 das Kaufhaus Oberpollinger – benannt nach dem traditionsreichen Gasthof, der zuvor an dieser Stelle stand. Quelle: Stadtarchiv München, FS-PK-STR-01501
Karstadt Haus Oberpollinger, 1905
Karstadt Haus Oberpollinger, 1905 Das Gebäude mit seinen drei prägnanten Giebeln wurde vom Bauunternehmen Heilmann & Littmann geplant und realisiert. Quelle: Stadtarchiv München, FS-STB-8394 Erstellt von: Stuffler
Der Lichthof mit Treppenanlagen, 1904
Der Lichthof mit Treppenanlagen, 1904 Im Inneren erstreckte sich das Kaufhaus über vier Etagen, zwei weitere dienten als Verwaltung und Lager. Besonders beeindruckte der Bau durch seinen glasüberdachten Lichthof. Quelle: Heinrich Habel, Johannes Hallinger, Timm Weski: Neuhauser Straße 18, in: Denkmäler in Bayern. Landeshauptstadt München MItte, Band 2, München 2009, S. 690.
Kaufhaus Oberpollinger, 1910
Kaufhaus Oberpollinger, 1910 Der Blick in die Herzog-Max-Straße zeigt die großen Schaufenster, in denen das Warenangebot präsentiert wurde. Quelle: Stadtarchiv München, FS-HB-XXIII-101
Das Kaufhaus Oberpollinger, 1911 <br />
Das Kaufhaus Oberpollinger, 1911
Aufsehenerregende Werbemaßnahmen, wie etwa ein ab 1907 kostenlos verteiltes Modeblatt, trugen wesentlich zum Erfolg des Hauses bei. Quelle: Stadtarchiv München, FS-LI-0276-028 Erstellt von: Graphische Kunstanstalten F. Bruckmann AG, München
Kaufhaus Oberpollinger & Karstadt, 1920/1940
Kaufhaus Oberpollinger & Karstadt, 1920/1940 Mitte der 1920er Jahre verkaufte Max Emden seine Warenhäuser an den ebenfalls jüdischen Unternehmer Rudolph Karstadt. Die Wirtschaftskrise 1929 und zunehmende Anfeindungen gegen jüdische Geschäfte machten den Karstadt-Häusern schwer zu schaffen. Quelle: Bildarchiv Foto Marburg, fm820184
Kaufhaus Oberpollinger 2017
Kaufhaus Oberpollinger 2017 Das Kaufhaus brannte nach einem Bombentreffer im Zweiten Weltkrieg nahezu vollständig aus. Erst 1954 konnte das gesamte Gebäude wieder eröffnet werden. Quelle: Wikimedia Commons Erstellt von: Berthold Werner
Detail der Handelskoggen auf dem Dach des Kaufhauses
Detail der Handelskoggen auf dem Dach des Kaufhauses Auf den beiden äußeren Giebeln thront bis heute jeweils eine Handelskogge, die an die ursprüngliche Hamburger Eigentümerfamilie erinnert. Erstellt von: Heidi Rehn

Ort

Neuhauser Straße 18, 80331 München

Metadaten

Heidi Rehn, “Das Kaufhaus Oberpollinger,” MunichArtToGo, zuletzt zugegriffen am 19. April 2025, https://municharttogo.zikg.eu/items/show/226.