Eingeordnet unter Sakralbau

Die Alte Matthäuskirche

Die erste evangelische Kirche Münchens

Die evangelisch-lutherische Pfarrkirche St. Matthäus, genannt Matthäuskirche, war die erste evangelische Kirche Münchens. Der von 1827 bis 1833 errichtete Bau war eine spätklassizistische Rotunde. Die Kirche befand sich an der Sonnenstraße unweit des Karlsplatzes (Stachus) auf Höhe Schwanthaler- und Herzogspitalstraße.

Die Ehefrau von Maximilian I. Joseph König von Bayern (1756–1825), Friederike Karoline Wilhelmine Prinzessin von Baden (1776–1841), war maßgeblich für die Anfänge des Protestantismus im bis dahin rein katholischen München verantwortlich. In ihrem Eheversprechen ließ sie sich die Ausübung ihres evangelischen Glaubens zusichern. Am 12. Mai 1799 fand der erste evangelische Gottesdienst in Schloss Nymphenburg statt. 1801 erwarb der erste Protestant das Münchner Bürgerrecht. Als 1806 die erste evangelische Pfarrei Münchens offiziell gegründet wurde, waren bereits 1.200 der 45.000 Einwohner evangelisch. Im selben Jahr wurde der Kirchengemeinde die nur wenige Jahre zuvor säkularisierte Salvatorkirche im Kreuzviertel zur Verfügung gestellt. Nachdem diese Kirche jedoch zu klein und stark renovierungsbedürftig war, forderte die Gemeinde einen Neubau.
1818 wurde der evangelische Architekt Leo von Klenze (1784–1864) beauftragt, einen Entwurf vorzulegen für einen neuen Kirchenbau in der Nähe des Odeonsplatzes. Zunächst wurde auch der Platz der Salvatorkirche, die hierfür abgerissen werden sollte, vorgeschlagen. Der Klenze-Plan wurde jedoch aus Kostengründen nicht umgesetzt. Nach seiner Thronbesteigung 1825 wies König Ludwig I. (1786–1868) dem Neubau schließlich den Platz an der Sonnenstraße, unweit des Karlstors, zu. Im folgenden Jahr wurde der Oberbaurat Johann Nepomuk Pertsch (1784–1835) mit einem Entwurf beauftragt. Wieder ein Jahr später, am 28. Juli 1827, fand die Grundsteinlegung statt. Am 25. August 1833 wurde die Kirche geweiht. Der Bau war ein gerichteter Zentralbau, hatte einen ovalen Grundriss mit einem hohen Turm an der Südseite und bot Platz für etwa 1.500 Gläubige.
Durch ihren Platz an der Sonnenstraße wurde die Kirche im Volksmund auch Sonnenkirche genannt. Ihren Namen nach dem Evangelisten erhielt die Matthäuskirche erst 1885, als die zweite evangelische Kirche Münchens, die Markuskirche, errichtet wurde. Zum 100-jährigen Weihjubiläum 1933 leitete der Münchner Architekt German Bestelmeyer (1874–1942) Restaurierungsarbeiten an der Kirche.
Im Juni 1938 veranlasst Gauleiter Adolf Wagner auf Anweisung von Adolf Hitler den Abriss der Kirche. Aus angeblich städtebaulichen Gründen musste der Platz geräumt werden, wie es in dem Schreiben an die Gemeinde vom 9. Juni 1938 hieß. Zwischen dem 26. Juni und dem 3. Juli 1938 wurde das Gebäude durch die Firma Leonhard Moll abgebrochen, die bereits den Abriss der Hauptsynagoge (Artikel zur alten Hauptsynagoge) durchführte. Dies geschah praktisch zur selben Zeit, allerdings mit einer Vorankündigung von nur einem Tag: Die jüdische Gemeinde wurde am 8. Juni informiert und bereits am Folgetag begann der Abriss, welcher bis Anfang Juli beendet war. Der Abriss beider Gotteshäuser zur selben Zeit war stark politisch motiviert und es wurde getestet ob es einen Aufschrei in der Gesellschaft gebe, welcher jedoch verhalten ausfiel.
85 Jahre nach der Zerstörung förderten Renovierungsarbeiten am Großhesseloher Isarwehr Trümmerstücke beider Sakralbauten wieder ans Tageslicht. Ende Juni/Anfang Juli 2023 konnten über 400 Tonnen Steine nach und nach geborgen werden. Sie wurden 1956 von derselben Baufirma, die mit dem Abriss beauftragt worden war, für Sanierungsarbeiten zum Hochwasserschutz verbaut. Zuvor lagerten sie mehrere Jahre auf dem Gelände der Firma Moll am heutigen Westpark. Neben Trümmern, die eindeutig der ehemaligen Hauptsynagoge und der Matthäuskirche zugeordnet werden konnten, befinden sich auch noch Überreste anderer Gebäude in dem bedeutenden Fund. Das Jüdische Museum München und das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege bemühen sich um eine Aufarbeitung.
Noch etwas von der alten Matthäuskirche hat die Zeit überdauert: Eine Bronzeglocke aus dem Glockenturm wurde bis zum Frühjahr 2022 im Gemeindezentrum Bartimäus in Lochhausen aufbewahrt. Nach dem Abriss des Gemeindezentrums wurde die Glocke der Gemeinde von St. Matthäus zurückgegeben.

Bilder

Außenansicht von Nordosten, um 1890
Außenansicht von Nordosten, um 1890 Um den Standort der Matthäuskirche gab es viele Diskussionen. Im katholisch geprägten München sollte die einzige evangelische Kirche nicht an einem zu repräsentativen Ort stehen. Mit der Lage unweit des Karlsplatzes wurde für die protestantische Gemeinde dennoch ein zentrumsnaher Ort gefunden. Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte Photothek/Archiv, 0888-01-01-411711
Außenansicht von Süden, um 1890
Außenansicht von Süden, um 1890 Der hohe Südturm war schon von weitem zu sehen. Die erste evangelische Kirche Münchens war damit ein markanter Punkt, obwohl sie außerhalb des Altstadtrings lag. Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte Photothek/Archiv, 0888-01-01-042190a Erstellt von: Andreas Mayer
Außenansicht von Süden, um 1920
Außenansicht von Süden, um 1920 Im Laufe des späten 19. Jahrhunderts und frühen 20. Jahrhunderts wurde die Kirche von Norden, Osten und Westen von Straßen gerahmt wie in dieser Postkarte zu sehen ist. Ab dem frühen 20. Jahrhundert führten auch Trambahnlinien an ihr vorbei. Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte Photothek/Archiv, 0888-01-01-396543
Stahlstich von Johann Poppel, um 1850
Stahlstich von Johann Poppel, um 1850 Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte Photothek/Archiv, 0888-01-01-493166
Grundriss, um 1833
Grundriss, um 1833 Steingravierung von A. Kurz. Der ovale Grundriss des nach Süden ausgerichteten Zentralbaus war bis dato für München ungewöhnlich, aber für protestantische Bauten in Nordbayern nicht unüblich. Quelle: Heinrich Habel: Der Münchner Kirchenbau im 19. und frühen 20. Jahrhundert. München 1971, S. 14
Nordansicht und Schnitt, um 1833
Nordansicht und Schnitt, um 1833 Gezeichnet und graviert wohl von A. Kurz Quelle: Heinrich Habel: Der Münchner Kirchenbau im 19. und frühen 20. Jahrhundert. München 1971, S. 15
Innenansicht zum Altar, um 1890
Innenansicht zum Altar, um 1890 Innen- wie Außenbau waren relativ schlicht gehalten. Der Altar stand auf der Südseite der Rotunde, darüber eine Orgelempore. Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte Photothek/Archiv, 0888-01-01-042190b Erstellt von: Andreas Mayer
Innenansicht zum Altar, um 1910
Innenansicht zum Altar, um 1910 Die Kirche bot Platz für etwa 1.500 Gläubige. Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte Photothek/Archiv, 0888-01-01-Th055592 Erstellt von: Carl Teufel
Zeichnung, Innenansicht zum Altar, um 1830
Zeichnung, Innenansicht zum Altar, um 1830 Zeichnung wohl von J. M. Hermann. Die Kirche besaß einen umlaufenden, schmalen Emporengang. Quelle: Andreas Hildmann und Norbert Jocher (Hgg.): Die Münchner Kirchen. Architektur – Kunst – Liturgie, München 2008, S. 225 [Abbildung aus Erzbischöfliches Ordinariat München, Kunstreferat; Kunsttopographie]
Trümmerfund aus der Isar, 2023
Trümmerfund aus der Isar, 2023 Unter den geborgenen Steinen befinden sich neben jenen die der alten Hauptsynagoge und der Matthäuskirche zugewiesen werden konnten, auch noch welche von weiteren Gebäuden. Erstellt von: Zentralinstitut für Kunstgeschichte Photothek/Archiv, ohne Inventarnummer

Ort

Sonnenstraße, in der Nähe des Karlsplatzes, ca. auf Höhe Herzogspitalstraße/Schwanthalerstraße | Nicht mehr erhalten

Metadaten

Nadine Raddatz, “Die Alte Matthäuskirche,” MunichArtToGo, accessed 28. April 2024, https://municharttogo.zikg.eu/items/show/133.