Die Fassade der Gedonstraße 4–6
Von Bienen und Blumen…und geometrischen Formen
Unweit des Englischen Gartens in der relativ kurzen Gedonstraße steht eines der Jugendstil-Schmuckstücke von München. Direkt fällt der Schweifgiebel ins Auge, der aufgrund der farbenfrohen und formvielfältigen Gestaltung Mittelpunkt der Fassade ist. Erst auf den zweiten Blick lassen sich als Architekturelemente getarnte Bienen und Blumen erkennen.
Die Eingemeindung Schwabings (1890) und der rasante Bevölkerungszuwachs seit Mitte des 19. Jahrhunderts führten zu einem regelrechten Bauboom, der die hohe Dichte an Jugendstilbauten insbesondere in diesem Stadtteil erklärt. Einige davon wurden von Martin Dülfer (1859–1942) entworfen, der sich in München um 1900 mit seinen bunten Fassaden und dem Einsatz von einem neuen Formvokabular einen Namen machte. Diese Formen zeichnen sich durch Flächigkeit und zugleich eine dynamische Gestaltung aus. Nicht selten sind sie von der Natur inspiriert. Solche Ornamente sind typisch für den Münchner Jugendstil und werden von Dülfer gezielt an der Fassade eingesetzt, stets jedoch mit ordnenden, traditionellen Architekturelementen gemischt. So entsteht ein gemäßigtes, aber energetisches Gesamtbild.
In der Gedonstraße 4–6 (1903–04) ist die Fassadenfläche weitläufig mit Riffelputz gefüllt. Dieser ist ebenfalls ein immer wiederkehrendes Merkmal an Fassaden um 1900. Die Besonderheit liegt hier darin, dass der Putz selbst schon eine zierende Eigenschaft besitzt, ohne, dass es eines zusätzlichen Ornaments bedarf. Darüber hinaus sind insbesondere die beiden Erker, die Bereiche um die Fenster und der obere Teil der Fassade mit Dekor besetzt. Das Gebäude wurde 2013 restauriert und schmückt die Straße seitdem wieder in der ursprünglichen Farbgestaltung.
Die elegante Silhouette des Schweifgiebels wird durch das mitlaufende Gesims visuell unterstützt. Die Giebelfläche wird hingegen von einem großen Atelierfenster und geometrischen Ornament dominiert. Zwischen den Gitterfeldern in Grüntönen wurden stilisierte blaue Blumen eingelassen. Gleichermaßen markant, wenngleich nicht ob ihrer Farbigkeit, sondern wegen der ungewöhnlichen Gegenständlichkeit, sind die ebenfalls stilisierten Bienen, die sich in die streng geordnete Ornamentfläche einfügen. Aufgrund der Vielzahl und Anordnung erscheinen sie zunächst als architektonisches Element. Jenes Gleichgewicht aus Gegenständlichkeit und geometrischer Abstraktion zeichnet diese Fassade als exemplarischen Münchner Jugendstilbau aus.
Nicht nur in Anbetracht der Architektur ist das Gebäude historisch relevant: Ludwig Quidde, der 1927 den Friedensnobelpreis zusammen mit Ferdinand Buisson erhielt, lebte von 1906 bis zu seiner Emigration 1933 in einer der großzügigen Wohnungen in der Gedonstraße 4. 1945–47 stellte wiederum der Bewohner Josef Müller seine vier Wände wöchentlich für politisch-motivierte Treffen zur Verfügung und gründete 1946 die CSU.