Die Mariahilfkirche
Das ehemalige romantische Gesamtkunstwerk inmitten der Au
Die Mariahilfkirche ist mehr als nur eine Kirche. Sie ist ein Symbol für die Geschichte, die Kultur und den Glauben eines alten Münchner Stadtteils. Die Backsteinbasilika ist das Wahrzeichen der Au und gilt als erster großer neugotischer Kirchenbau Deutschlands.
Auf dem Mariahilfplatz befanden sich einst drei Kirchen, die alle eine wichtige Rolle in der Geschichte der Au spielten. 1463 wurde am Ufer des Auer Mühlbachs ein Kruzifix angespült. Noch im selben Jahr wurde an jener Stelle – dem heutigen Mariahilfplatz – eine Kreuzkapelle errichtet und 1466 geweiht. 1647 wurde die Kapelle umgebaut und schließlich 1817 aufgrund von Baufälligkeit abgetragen. Am Südende jenes Platzes wurde 1621 die Klosterkirche St. Karl Borromäus der Paulaner errichtet und faktisch zur Pfarrkirche der Au. Nach der Auflösung des Paulanerordens 1799 wurde der Bau zum Zuchthaus. Der bereits 1886 bei einem Brand schwer beschädigte Klosterkomplex wurde 1901/1902 vollständig abgerissen, um Platz zu schaffen für den Neubau des Amtsgerichts – heute Landratsamt.
Der dritte Kirchenbau auf dem Platz bildete sogleich den Vorgängerbau der Mariahilfkirche: 1632 bis 1639 wurde eine Wallfahrtskapelle errichtet für das wundertätige Gnadenbild, welches 1629 den Paulanermönchen der Au übergeben worden war. Die aus der Provence stammende Muttergottes mit Jesusknaben entstand um 1450. Aufgrund großer Beliebtheit des Wallfahrtortes musste die Kapelle 1723 bis 1725 erweitert werden. Nach der Auflösung des Paulanerklosters wurde die Mariahilfkapelle zur Pfarrkirche der Au erhoben. Da der Bau jener Aufgabe nicht gewachsen war, kam 1822 der Wunsch nach einem Neubau auf. 1827 beauftragte König Ludwig I. mehrere Architekten, Entwürfe einzureichen; darunter auch Leo von Klenze und Friedrich von Gärtner. Überzeugen konnte am Ende Joseph Daniel Ohlmüller (1791–1839) mit seinem „altdeutschen“, also neugotischen Entwurf. Die Gotik galt als Idealzeitalter für Leben und Kunst sowie der Verbindung von Staat und Kirche und wurde zum neuen Nationalstil erhoben.
Von 1831 bis 1839 wurde die katholische Pfarrkirche Maria Hilf in der Au errichtet. Nach dem Tod Ohlmüllers wurde Georg Friedrich Ziebland (1800–1873) mit der Fertigstellung beauftragt. Der Bau war eine dreischiffige Hallenkirche mit erhöhtem Chor und Umgang. Die Wimperge über dem Westportal und den Fenstern der Vorhalle, die Ornamentik der Fensterrosen und Dachzone der Seitenschiffe nach Westen sowie der Turmhelm des Westturms waren in hellgrauem Haustein gefertigt und setzten sich vom roten Backstein ab. Filialen krönten die stark zurückgenommenen Strebepfeiler des sonst eher kubischen Baukörpers. Ohlmüller schuf ein in sich geschlossenes Gesamtkunstwerk im romantischen Sinne. Deutlich wird dies durch seine Entwürfe, die über das Kirchenmobiliar bis zum liturgischen Gerät reichen. Auch die Glasmalereien spielten bereits bei der Planung eine Rolle.
Die 19 Glasfenster wurden von 1832 bis 1846 im Stil der Nazarener geschaffen und waren der bedeutendste Teil der neugotischen Ausstattung. Die Leitung der Ausführung übernahm der von König Ludwig I. eingesetzte Professor der Königlichen Akademie der Bildenden Künste Heinrich Maria von Hess, welcher von 1826 bis 1853 an den Glasfenstern des Kölner Doms beteiligt war. Die Glasmalereien wurden von Max Emanuel Ainmiller ausgeführt und zeigten Szenen des Marienlebens. Nachdem die Mariahilfkirche von 1943 bis 1944 bei Bombenangriffen schwer beschädigt wurde, konnten nur zwei Fragmente der Glasmalerei geborgen werden: ein Christuskopf und eine Büste der Maria – heute in der Gnadenkapelle aufbewahrt. Glücklicherweise sind die Motive jedoch in großformatigen zeitgenössischen Lithographien erhalten, von denen auch kolorierte Fassungen existieren.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche von 1952 bis 1953 von Michael Steinbrecher (1887–1976) und Hans Döllgast (1891–1974) wiedererrichtet. Äußeres und Inneres der neuen Mariahilfkirche unterscheiden sich stark voneinander. Vom ursprünglichen romantischen Gesamtkunstwerk ist heute kaum noch etwas zu sehen. Der Außenbau wurde in stark vereinfachter Form wiedererrichtet. Im Osten des Baukörpers wurde auf der Nordseite ein zusätzliches Portal und auf der Südseite eine Kapelle für das Gnadenbild errichtet. Das Innere wurde komplett neugestaltet. Die Seitenschiffe wurden zu schmalen Gängen reduziert. Statt des neugotischen Sterngewölbes ist eine Flachdecke eingezogen worden. Generell distanzierte man sich gezielt vom Historismus.