Die Alte Hauptsynagoge
Wie die Isar fast 70 Jahre lang ein Stück jüdischer Geschichte bewahrte
Bereits im Juni 1938 ließen die Nationalsozialisten auf persönlichen Befehl Adolf Hitlers die Alte Münchner Hauptsynagoge als eine der ersten Synagogen Deutschlands zerstören. Nach nunmehr 85 Jahren tauchten im Juni 2023 Trümmerteile des Gotteshauses in der Isar auf. Ein wichtiger Fund für die Geschichte der Stadt und vor allem für die jüdische Gemeinde Münchens.
Da die Synagoge an der Westenriederstraße mit 320 Plätzen zu klein geworden war, erwarb die Israelitische Kultusgemeinde München 1870 ein Grundstück am Wittelsbacherplatz und ließ Entwürfe für einen Neubau anfertigen. Allerdings verwarf man dieses Vorhaben 1876 aus verschiedenen Gründen wieder. Auch ein in Aussicht stehender Bauplatz an der Frauenstraße musste aufgrund ungünstiger baulicher Gegebenheiten abgelehnt werden, bevor sich schließlich 1882 ein passendes Grundstück am heutigen Lenbachplatz fand.
Der Architekt Albert Schmidt (1841–1913) entwarf die Münchner Hauptsynagoge als Langhausbau im Stil der Neuromanik und verwirklichte diesen an der Herzog-Max-Straße 7 zwischen 1884 und 1887. Zum Zeitpunkt der Erbauung zählte das dreischiffige, in fünf Joche gegliederte Gebäude mit rund 1000 Männer- und 800 Frauensitzen nach der Synagoge an der Oranienburgerstraße in Berlin und der neuen Synagoge in Breslau zu den drei größten Synagogen des Deutschen Reiches. Der freistehende Monumentalbau maß 50 Meter in der Länge und 30 Meter in der Breite und wies im Mittelschiff eine Höhe von 18 Metern, in den Seitenschiffen von 15 Metern auf. Ein oktogonaler Turm krönte die Hauptfassade über einer großen Rose und machte das Bauwerk weithin sichtbar.
Die feierliche Weihe der Hauptsynagoge fand am 16. September 1887 statt. Fortan bildete das Gotteshaus gute 50 Jahre lang den Mittelpunkt des religiösen Lebens der schnell wachsenden jüdischen Gemeinde in München.
Die Entscheidung für den Abbruch der Synagoge wurde der Israelitischen Kultusgemeinde am 8. Juni 1938 mitgeteilt; schon einen Tag später begann der Abriss. Nach einer Begutachtung des Areals soll Adolf Hitler selbst die Beseitigung mit der Begründung verfügt haben, er wolle das Gebäude nicht mehr sehen. Offiziell rechtfertigte die NS-Verwaltung die Notwendigkeit des Abrisses mit verkehrstechnischen Gründen im Rahmen des Ausbaus Münchens als „Hauptstadt der Bewegung“.
Weit unterhalb des tatsächlichen Wertes erwarb die Stadt die Liegenschaft für nur 185.000 Reichsmark, einschließlich der benachbarten Verwaltungsgebäude. Die Israelitische Kultusgemeinde hatte 56 Jahre zuvor allein für die Grundstücke 348.000 Mark bezahlt, der Bau selbst schlug noch einmal mit 700.000 Mark und die Innenausstattung mit 90.000 Mark zu Buche. Lediglich die erst einige Zeit zuvor eingebaute Orgel konnte zum ungefähren Erwerbspreis noch kurzfristig an das erzbischöfliche Ordinariat verkauft und rechtzeitig vor der Zerstörung aus dem Gotteshaus gerettet werden. Diese wurde allerdings 1944, bei den Luftangriffen auf München, ebenfalls zerstört.
Den Abbruch der Hauptsynagoge führte die Firma Leonhard Moll durch, die den Bauschutt zunächst auf dem firmeneigenen Gelände lagerte. Auf dem Areal der Synagoge entstand ein Parkplatz. In die zugehörigen Nebengebäude an der Herzog-Max-Straße zog der von Reichsführer SS Heinrich Himmler gegründete „Lebensborn e.V.“ ein, der die Erhöhung der Geburtenzahlen im Einklang mit der NS-Rassenideologie zum Ziel hatte.
Ende Juni 2023 tauchten im Zuge von Bauarbeiten zur Erneuerung des Hochwasserschutzes am Großhesseloher Isarwehr gut erhaltene Trümmerstücke auf, die aufgrund von historischen Fotografien der Münchner Hauptsynagoge zugeordnet werden können. Aus bis zu acht Metern Tiefe kam unter anderem eine steinerne Tafel mit hebräischen Schriftzeichen zum Vorschein, die sich einst im Inneren der Synagoge über dem Thora-Schrank befand. Soweit bisher bekannt, wurden die rund 150 Tonnen Steine 1956 als Füllmaterial bei der Renovierung des Wehrs verwendet. Derzeit ist noch nicht entschieden, was genau mit den Fragmenten passieren soll.