Die Villa „steht“ für Franz von Stuck (1863–1928). Er schuf sich sein persönliches Refugium – und verkörperte den Künstlerfürsten schlechthin. Mit der Villa wollte er zwar niemanden inspirieren, jedoch folgte genau das aus dem großen Interesse an dem Bau.
Eine Chronologie der Entwicklungsschritte
1897
Franz von Stuck (1863–1929), ein Münchner Künstlerfürst, sucht einen Ort für seine Villa und findet ihn auf dem Hügel am Ende der Prinzregentenstraße, jenseits der damaligen Innenstadt: Hier sollte das Haus erbaut werden, in dem er mit seiner Familie wohnen und arbeiten wollte. Ein Haus, von ihm selbst entworfen und Spiegelbild seines künstlerischen Schaffens. Im selben Jahr begannen die Bauarbeiten an dem würfelförmigen Gebäude. In diesem Haus konnte er, wie auf einer Insel, in einer idealisierten Welt leben. Erhaben über die Häuser der Umgebung „sieht [Stuck mit seiner Villa] auf München herab“ (zit. nach Weese 1903, S. 27).
1898
Nach Fertigstellung des Hauses empfängt Stuck viele Gäste, ein paar versuchen später, das Gebäude zu beschreiben:
„Manche zählen sie zum Jugendstil [...]. Andere deuten auf die [...]neoklassizistischen Elemente.“ (zit. nach Danzker 1992, S. 10–11).
Unverkennbar sind antike Vorbilder – ins Auge fällt die römische Wölfin an der Front. Auch das achtstrahlige Muster, das den Zaun schmückt, oder die das Dach krönenden Statuen sind antike Motive. Jedoch widerspricht ein solcher Schmuck den schlichten Formen des Neoklassizismus und auch dem Jugendstil lässt sich das Haus nicht klar zuordnen. Letztendlich ist die Villa ein Ort der Selbstdarstellung, der die Motive der Antike in die Gegenwart überträgt und dabei keinem einheitlichen Stil folgt.
1905
Inzwischen hat sich die Umgebung in ein Nobelviertel gewandelt:
Als die Villa entstand, waren der Friedensengel und das Prinzregententheater noch nicht erbaut. Erst nach dem Villenbau nahm die Zahl der Häuser in der Umgebung zu. Diese wurden auch immer repräsentativer. Stuck war insofern Mitbegründer eines Nobelviertels, denn einige andere Persönlichkeiten, wie Adolf von Hildebrand (1847–1921) oder später Thomas Mann (1875–1955), zogen bald dorthin.
1911
Spaziergänger bleiben vor dem Haus stehen, um es näher zu betrachten:
Die Villa war nun so beliebt, dass man sie in einem Münchner Reiseführer als städtische Attraktion hätte aufführen können. Zudem entstanden Publikationen zu Architektur, Innenräumen und zur Person Franz von Stucks. Die Aufmerksamkeit ging so weit, dass sogar Postkarten von der Villa hergestellt wurden.
1914
Aufgrund von Platzmangel erweitert Stuck sein Anwesen um ein Atelier:
Da der Platz in seinem alten Atelier, dessen Fenster im ersten Stock über dem Eingang liegt, zu klein geworden war, konzipierte Stuck ein neues. Dieses schließt durch einen Zwischentrakt nahtlos an den alten Gebäudeteil an.
Inzwischen hatte Stuck schon einiges an Bekanntheit eingebüßt; das öffentliche Interesse an der Erweiterung war nicht besonders groß. Es zeugt jedoch von der alten Beliebtheit von Stucks Werken, dass die Familie auch in Kriegszeiten ihren gewohnten Lebensstil fortführen konnte.
1968
Das Haus wird als Museum eröffnet. Besucher betrachten eine Ausstellung des ehemaligen Stuck-Schülers Josef Albers in der Villa:
In seiner Zeit als Professor an der Kunstakademie München hatte Stuck einige Schüler, doch nicht alle äußerten sich positiv. So meinte Josef Albers (1888–1976) selbst zunächst: „er hätte nichts bei ihm [Stuck] gelernt“ (zit. nach Schmoll gen. Eisenwerth 1972, S. 127). Die Betonung von Geraden und rechten Winkeln an der Villa könnte dem späteren „Meister des Quadrats“ jedoch Impulse gegeben haben.
Auch Bekannte wurden von seiner Arbeit beeinflusst. Bei Peter Behrens, der zusammen mit Stuck 1892 die Secession gegründet hatte, sind insbesondere beim Warenhausentwurf Ähnlichkeiten mit der Villa Stuck aufzufinden.
Weitere Zeitgenossen betonten den Einfluss der Villa. Ein junger Münchner Architekt meinte:
„Für mich ist Stuck der ideale Architekt! […] Er weist der kommenden Baukunst den Weg!“ (zit. nach Joos 2006, S. 253).
Wer heute die Villa Stuck betritt, kann selbst durch die Zeit reisen, um einen kreativen Künstler zu treffen, der aus seinem Selbstverständnis heraus einen hoch individuellen und zugleich sehr repräsentativen Bau, ein wahres Gesamtkunstwerk, geschaffen hat.