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Der Alte Botanische Garten

Wissenschaft, Ausstellungen, Park

Der Botanische Garten in der Münchner Maxvorstadt entstand im frühen 19. Jahrhundert als ein städtebauliches Scharnier zwischen der Altstadt, dem Stachus und der neuen Vorstadt Maxvorstadt. Die Hälfte seines Areals büßte er 1853/54 mit der Errichtung des Glaspalasts ein. Nachdem 1909 bis 1914 in Nymphenburg ein neuer Botanischer Garten errichtet worden war, wurde die Anlage in der Maxvorstadt zum „Alten“ Botanischen Garten. Der Baumbestand und das in den 1930er Jahren angelegte Parkcafé mit seinen Außenanlagen machen den Park zu einer innerstädtischen Oase zwischen Hauptbahnhof und Kunstareal.

Die Förderung der Wissenschaften war dem bayerischen König Maximilian I. Joseph ein besonderes Anliegen. 1807 stiftete er in der späteren Maxvorstadt den Grund für einen Botanischen Garten, ein Laboratorium für Chemie und eine Anatomie. 1809 begannen die Arbeiten nach der Planung des bayerischen Hofgartenintendanten Friedrich Ludwig von Sckell. 1812 übergab die Hofgartenintendanz die Anlage an die Bayerische Akademie der Wissenschaften. Der Architekt Emanuel Joseph von Herigoyen errichtete das Eingangsportal an der Sonnenstraße. Die in die Arcisstraße (heute: Katharina-von-Bora-Straße) fortgesetzte Mittelachse des Gartens leitet in die Maxvorstadt über.

Seit 1809 stand der Garten unter der Leitung des Naturforschers Franz von Paula von Schrank. 1814 war ein nach Sckells Entwurf ausgeführtes Gewächshaus fertig. Im Osten und Westen fassten die Gehölzgruppen eines Arboretums die orthogonal angeordneten Beete ein. Diese erste Anlage, die seit 1832 unter der Leitung des Botanikers und Brasilienforschers Carl Friedrich Philipp von Martius stand, blieb nur wenige Jahrzehnte bestehen.

Als in München ein Bauplatz für die „Allgemeine deutsche Industrie-Ausstellung“ (1854) gesucht wurde, wählte man den Botanischen Garten. Anstelle von Sckells Gewächshaus errichtete 1853–1854 August von Voit ein technisch und architektonisch hochmodernes Ausstellungsgebäude als Glas-Eisen-Konstruktion. Er orientierte sich am Vorbild des von Joseph Paxton für die Weltausstellung in London erbauten „Crystal Palace“ (1851). Voit hatte schon zuvor, 1852–1853, beim Bau des Wintergartens für Maximilian II. auf der Münchner Residenz Erfahrungen mit dem Skelettbau in Glas-Eisen-Konstruktion gemacht. An der Karlstraße gegenüber von St. Bonifaz errichtete er weitere, technisch und konstruktiv innovative Neubauten und Glashäuser für die botanischen Sammlungen, Hörsäle und Laboratorien. An der Sophienstraße entstanden 1852 ein chemisches Institut und das Wohnhaus des Chemikers Justus von Liebig, seit 1859 Präsident der Akademie der Wissenschaften.

König Maximilian II. beschloss, den Münchner „Glaspalast“ dauerhaft als Ausstellungsgebäude zu nutzen. Er blieb bis 1931 der repräsentativste Münchner Ort für Kunstausstellungen sowie für Garten- und Blumenschauen. Die Anlage wurde zunächst weiter als Botanischer Garten gepflegt. Seit 1859 leitete ihn Max Kolb, der erste Stadtgärtner Münchens. Der Neubau des Justizpalasts an der Elisenstraße (Friedrich von Thiersch, 1887–1897) verdichtete die städtebauliche Situation weiter. Daher wurde von 1909 bis 1914 in Nymphenburg ein deutlich größerer Botanischer Garten angelegt, in den die Pflanzenbestände übergeführt wurden. Voits Gewächshäuser wurden abgerissen.

Im Juni 1931 brannte der Glaspalast aus ungeklärten Gründen ab. Ein Wettbewerb für den Neubau eines Ausstellungsgebäudes am selben Standort blieb folgenlos. 1933 bestimmte Adolf Hitler, ein solches Gebäude stattdessen am südlichen Rand des Englischen Gartens zu errichten. Dort entstand nach Entwurf von Paul Ludwig Troost bis 1937 das „Haus der Deutschen Kunst“ (heute: Haus der Kunst). Nach Vorschlägen Troosts gestalteten der Architekt Oswald Eduard Bieber und der Bildhauer Josef Wackerle den Alten Botanischen Garten bis 1937 zum Stadtpark um. Das Parkcafé wurde zum südlichen Blickpunkt der Arcisstraße. Gegenüber dem landschaftlich gestalteten westlichen Teil des Gartens ist das axial auf den Justizpalast ausgerichtete „Forum“ im östlichen Teil ein geometrischer Gartenplatz mit einem Bassin (monumentale Figurengruppe mit Neptun und Tritonen von Wackerle). Im nördlich davon gelegenen „Ausstellungstempel“ wurde die Bevölkerung über die nationalsozialistische Architektur und Stadtentwicklung informiert. Das Gebäude ist heute an den Kunstverein Kunstpavillon e.V. verpachtet.

Der Garten gehört heute der Landeshauptstadt München. Ein 2005 erstelltes Parkpflegewerk soll helfen, die unter hohem Nutzungsdruck stehende Anlage wieder zur Geltung zu bringen.

Bilder

Das Eingangsportal zum Alten Botanischen Garten
Das Eingangsportal zum Alten Botanischen Garten Eine Inschrift am Portal verweist programmatisch auf die globale Dimension des Gartens, der die über die Erde verstreuten Gattungen der Pflanzen zusammenführte: „FLORVM DAEDALAE TELLVRIS GENTES DISSITAE MAXIMILIANI IOS. R. NVMINE CONSOCIATE MDCCCXII“ (deutsche Übersetzung: „Der Blumen über den Erdkreis zerstreute Gattungen sind auf Geheiß des Königs Maximilian Joseph 1812 hier vereint.“). Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Photothek, ZI-0965-01-01-050264 Erstellt von: Arthur Schlegel, um 1930/1940
Das Eingangsportal zum Botanischen Garten, 1825
Das Eingangsportal zum Botanischen Garten, 1825 Sckells Lehrbuch zur Gartenkunst richtete sich an „angehende Gartenkünstler und Gartenliebhaber“. Ihnen gab der Hofgartenintendant Ratschläge und Kenntnisse für die künstlerische Gestaltung und die Bepflanzung von Gärten, Parks und städtischen öffentlichen Anlagen an die Hand. Mit der Titelvignette würdigte Sckell die Botanik als die der Gartenkunst zugrundeliegende Wissenschaft. Quelle: Friedrich Ludwig von Sckell: Beiträge zur bildenden Gartenkunst, 2. Aufl., München 1825, Titel
Stadtplan von München mit dem Botanischen Garten und der angrenzenden Maxvorstadt, 1812
Stadtplan von München mit dem Botanischen Garten und der angrenzenden Maxvorstadt, 1812 Der Planausschnitt zeigt zwischen Stachus und der Elisenstraße den Herzoggarten. Gegenüber dem Eingangsportal zum Botanischen Garten lag das Clemensschlössl mit der Dienstwohnung des Hofgartenintendanten Sckell. Quelle: Umgebungen von München [...], 1812.
Sckells Gewächshaus im Botanischen Garten
Sckells Gewächshaus im Botanischen Garten Friedrich Ludwig von Sckell hatte in Paris und in Kew bei London eine profunde botanische Ausbildung erhalten. Als bayerischer Hofgartenintendant korrespondierte er mit Hofgärtnern und Botanikern in ganz Europa. Quelle: Friedrich Ludwig von Sckell: Beiträge zur bildenden Gartenkunst, 2. Auflage, München 1825, Taf. 4, nach S. 182.
Plan des Gartens und der Glashäuser, 1849
Plan des Gartens und der Glashäuser, 1849 In der Sophienstraße 7 wohnte Max Kolb, seit 1859 Leiter des Botanischen Gartens und seit 1869 Leiter der städtischen Gärten und Parks Münchens. Seine Tochter Annette Kolb schreibt über ihr Elternhaus in ihrem Roman „Die Schaukel“ (1934). Quelle: Gustav Wenng, Topographischer Atlas von München, München 1849–1851, Plan Nr. 5.
Der Botanische Garten mit dem Glaspalast von Süden, 1882
Der Botanische Garten mit dem Glaspalast von Süden, 1882 Quelle: Stadtarchiv München, FS-AB-STB-042-02
Der Botanische Garten im frühen 20. Jahrhundert
Der Botanische Garten im frühen 20. Jahrhundert Das Foto zeigt vorne das Eingangstor des Gartens sowie im Hintergrund den Glaspalast, der die Hälfte des Geländes einnahm. Links angeschnitten ist der Justizpalast zu sehen. Quelle: Eugen Roth: Der Glaspalast in München. Glanz und Ende, 1854–1931, München 1971, S. 61.
August von Voits Glashäuser an der Karlstraße, 1890
August von Voits Glashäuser an der Karlstraße, 1890 Die Aufnahme von Westen nach Osten zeigt links, im Rücken der Glas-Eisen-Konstruktion des Großen Gewächshauses, das gemauerte Botanische Museum an der Karlstraße. Von der Südfassade der Klosterkirche St. Bonifaz ist der obere Abschluss zu erkennen. Quelle: Stadtarchiv München, FS-NL-WEIN-0377
Katalog der X. Internationalen Kunstausstellung im Münchner Glaspalast, 1909
Katalog der X. Internationalen Kunstausstellung im Münchner Glaspalast, 1909 Quelle: Offizieller Katalog der X. Internationalen Kunstausstellung im kgl. Glaspalast zu München 1909, 1. Juni bis Ende Okt., 2. Ausg., München 1909 (Exemplar Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Bibliothek, Kat.Ausst. München Glaspalast 1909 R).
Der Brand des Glaspalastes, Juni 1931
Der Brand des Glaspalastes, Juni 1931 Beim Brand wurden über 3.000 Gemälde der im Glaspalast gezeigten Ausstellung „Malerei der Romantik“ vernichtet, unter ihnen Werke berühmter Maler wie Caspar David Friedrich, Karl Friedrich Schinkel und Philipp Otto Runge. Quelle: Karl Drechsel: Das Haus der Deutschen Kunst (Neuer Glaspalast), München, München 1934, S. 12.
Entwurf Josef Wackerles für die Umgestaltung des Botanischen Gartens, Vogelschau
Entwurf Josef Wackerles für die Umgestaltung des Botanischen Gartens, Vogelschau Quelle: Die Kunst im Dritten Reich 1 (1937), Heft 1, S. 198.
Eröffnung des umgestalteten Botanischen Gartens am 29. Mai 1937 durch Gauleiter Adolf Wagner
Eröffnung des umgestalteten Botanischen Gartens am 29. Mai 1937 durch Gauleiter Adolf Wagner Bei der Eröffnung des neuen Gartenbereichs beim Neptunbassin 1937 standen uniformierte Männer und junge Frauen in der einheitlichen Kleidung des BDM (Bund deutscher Mädel) Spalier. Gauleiter Wagner hatte bei seiner Ansprache die Brunnenfigur des Neptun von Wackerle vor Augen: ein monumentales Körperideal nationalsozialistischer Skulptur. Quelle: Stadtarchiv München, FS-NSF-01590
Ausstellungspavillon im alten Botanischen Garten
Ausstellungspavillon im alten Botanischen Garten Das Foto zeigt den Alten Botanischen Garten mit den nach dem Zweiten Weltkrieg neu gepflanzten Gehölzen. Im Biergarten des Parkcafés sitzt man unter pittoresk überrankten Pergolen. Erstellt von: Fotoschule München, um 1950/1960

Ort

Sophienstr. 7, 80333 München | Öffentliche Parkanlage

Metadaten

Iris Lauterbach, “Der Alte Botanische Garten,” MunichArtToGo, zuletzt zugegriffen am 21. November 2024, https://municharttogo.zikg.eu/items/show/28.