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Der alte Flughafen in München-Riem – Ein unbequemes Erbe

Plädoyer für eine zeitnahe Erinnerungskultur

Im Mittelpunkt dieses Beitrags stehen der ehemalige Flughafen in München-Riem (1937-1939 nach Entwurf von Ernst Sagebiel errichtet) und sein missglückter Umbau nach 1992, als er auf Grund des neuen Flughafens in Erding aufgegeben wurde.

Wie sollten wir mit diesem unbequemen Erbe umgehen? Zu erörtern ist, ob ein vollständiger Abbruch der Gebäude, deren Generalsanierung oder ein zeitgemäßer Umbau sinnvoll gewesen wäre. Dahinter steht die Frage, wie mit NS-Architektur umgegangen werden kann und soll? Wie sähe hier eine zeitgemäße Erinnerungskultur aus (wie beim Haus der Kunst, aber auch bei den erhaltenen Bauten am Königsplatz)? In Riem geht es vor allem um die Wappenhalle, den Kontrollturm, deren Denkmalschutz und die vertane Chance, ein Flugzeug- und Architekturmuseum einzurichten, eventuell neben den alten Kopf-und Tribünen-Bauten. So oder so muss das schwierige Erbe angenommen werden, es kann nicht negiert werden.
1936 war als Standort für einen neuen, zweiten Flughafen in München (nach dem Oberwiesenfeld – heute Olympia-Gelände) ein Platz südöstlich von Riem ausgewählt und mit der Planung durch Ernst Sagebiel sofort begonnen worden. Er zeichnete auch für die zeitgleich entstehenden Flughäfen in Berlin-Tempelhof, Dresden und Stuttgart verantwortlich. Diese Informationen sucht man in Riem vergeblich; würden sie die Nutzung als Event-Location beeinträchtigen? Wieso behielt die Stadt nicht die gut erhaltene, unter Denkmalschutz stehende Wappenhalle? Die Bauten des Riemer Flughafens waren (und sind noch heute) für eine museale Nutzung sehr geeignet. Heute stehen wir einem “Un-Ort” gegenüber. Auf dem weiten ehemaligen Flughafengelände könnte ein NS-Architektur-Dokumentations-Museum eingerichtet werden, als Dependance des Stadtmuseums oder der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Bis jetzt werden die Gipsmodelle der NS-Stadtplanung nur in verschiedenen Abteilungen des noch länger geschlossenen Stadtmuseums gezeigt. Wenn es in der "Hauptstadt der Bewegung" schon ein NS-Dokumentationszentrum gibt, so sollte der Architektur und dem Städtebau der NS-Zeit ebenfalls ein Dokumentationszentrum gewidmet werden, in oder neben den beiden gut erhaltenen Flughafen-Bauten, als kultureller Erinnerungsort im Münchner Osten – neben der Münchner Messe. Diese Idee erfordert allerdings eine besonders behutsame Szenographie, vergleichbar den Plänen von David Chipperfield für das Haus der Kunst. Man würde dann der Geschichte wieder direkt ins Angesicht sehen.

Bilder

Flughafen München-Riem wenige Tage nach Einstellung des Flugbetriebs 1992
Flughafen München-Riem wenige Tage nach Einstellung des Flugbetriebs 1992 Auf diesem Foto aus den späten 60er Jahren erkennt man den alten Flughafen in seinem bereits sanierten Aussehen. Die dunkle Farbigkeit des Baus kontrastierte mit den grünen Wiesen der Umgebung, die heute nicht mehr vorhanden sind. Quelle: Wikimedia Commons Erstellt von: Okfm
Die Zufahrt zum Flughafen München Riem wenige Tage nach dem Umzug des Flugbetriebs in den neuen Flughafen im Erdinger Moos, 1992.
Die Zufahrt zum Flughafen München Riem wenige Tage nach dem Umzug des Flugbetriebs in den neuen Flughafen im Erdinger Moos, 1992. Weder an oder in der gut erhaltenen Wappenhalle noch am Kontrollturm gibt es Informationen zur Geschichte des von Ernst Sagebiel ( * 2. Oktober 1892 in Braunschweig, † 5. März 1970 in Starnberg) erbauten Flughafens in Riem. Die Geschichte der Wappenhalle ist unbekannt – eine Voraussetzung, um sie als Event-Location zu nutzen? Vergleichbares gilt auch für den roten Turm, in dessen Nähe die große Skulptur der Alpen im kleinen Messesee steht. Was sieht man hier überhaupt, da kein Baustil sofort erkennbar ist? Sagebiel baute anders als z.B. der Hofbaumeister Hitlers, Albert Speer. Sagebiel war rationaler und errichtete die Gebäude mehr nach funktionalen Aspekten und weniger nach ideologisch verbrämten Gesichtspunkten wie in Nürnberg oder Berlin in der brutalistischen Reichskanzlei zu erkennen. Riem ist anders und enthält weitere Stilelemente, die teilweise auf den Art Deco Stil und auf das Bauhaus zurückgehen, auch deswegen, weil er seit 1929 bei Erich Mendelssohn in Berlin arbeitete. Quelle: Wikimedia Commons Erstellt von: Okfm
Flugbetrieb am Flughafen München-Riem
Flugbetrieb am Flughafen München-Riem Damals fuhren noch viele Münchner am Sonntag zu den sehr beliebten Konzerten im sonnigen Gartenrestaurant. Hier verfolgten die Familien und vor allem zahlreiche begeisterte Kinder die vorbei rollenden Propeller Flugzeuge. Aus den Lautsprechern erfuhren die Gäste, woher die Maschine kam oder wohin sie fliegen werde. Manchmal schob der starke Wind der Propeller das Geschirr und die Gläser von den Tischen, und die Blasmusik wetteiferte darum, wer lauter war. Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Bruckmann-Archiv, ZI-BAB-26-Arch-079a
Die Wappenhalle 2006
Die Wappenhalle 2006 Die markante Wappenhalle, der leider abgerissene große Mittelbau sowie der renovierte Kontrollturm wären ein idealer Ort für ein Technik- und Flugzeugmuseum gewesen, wie jenes herrliche Museum in Paris Breguet. In Riem umgab man die beiden Gebäudefragmente mit einfältigen Bürokästen. Das ganze neue Viertel kann nicht als architektonische Meisterleistung gelten. Quelle: Wikimedia Commons Erstellt von: Florian Schütz
Die wiederhergestellte Empfangshalle (Wappenhalle) des Riemer Flughafens im Jahr 1952.
Die wiederhergestellte Empfangshalle (Wappenhalle) des Riemer Flughafens im Jahr 1952. Die jetzt fast ‘geschichtslose’ und nur konsum-orientierte Wappenhalle wurde zwar gut saniert, aber man hätte viel mehr daraus machen können. Sie erscheint heute – frei nach Robert Musil – als aseptischer “Ort ohne Eigenschaften”. Quelle: Aus: Ingo Anspach: Wie im Flug. Die 50-jährige Geschichte der Flughafen-München-GmbH, München 1999, S. 25, 2. Erstellt von: Foto-Technik München
Aufnahme der US-Air Force vom Juni 1945
Aufnahme der US-Air Force vom Juni 1945 Diese Aufnahme zeigt den von den Amerikanern massiv bombardierten Flughafen mit teils zerstörten deutschen Kampfflugzeugen. Ebenso schwer beschädigt wurden der Flughafen selbst und weitere nahe Gebäude. Dieses bisher kaum bekannte Foto demonstriert sehr gut die großen Schäden an den Gebäuden und die vielen Bombenkrater. Ebenso unbekannt ist, dass viele Häftlinge aus dem Lager Dachau in Riem eingesetzt wurden. Unklar ist daher auch, wie viele dort zu Tode kamen oder schwer verletzt wurden. Quelle: Aus: Ingo Anspach: Wie im Flug. Die 50-jährige Geschichte der Flughafen-München-GmbH, München 1999, S. 11, 4. Erstellt von: United States Air Force

Ort

Konrad-Zuse-Platz 7, 81829 München

Metadaten

Michael Stanic, “Der alte Flughafen in München-Riem – Ein unbequemes Erbe,” MunichArtToGo, zuletzt zugegriffen am 14. Mai 2025, https://municharttogo.zikg.eu/items/show/245.